Prinzessin in Pink
auf dem Nachhauseweg
Grandmère hat mir mein gutes Lebensgefühl natürlich sofort wieder versaut. Ich schwebte immer noch auf Wolke sieben, weil ich in der Schule ein solches medizinisches Wunder vollbracht hatte (ist doch auch wahr: Es ist ein Wunder, dass ich angesichts der Blutmengen nicht ohnmächtig wurde), als sie sagte: »Wann hast du Zeit für einen Termin bei Chanel? Ich habe dir nämlich ein Kleid zurücklegen lassen, das perfekt für den Abschlussball ist, auf den du dich so freust. Aber du müsstest morgen zur Anprobe, wenn es rechtzeitig fertig werden soll.«
Also musste ich ihr erklären, dass Michael und ich nach derzeitigem Stand der Dinge nicht zum Abschlussball gehen.
Sie reagierte darauf natürlich nicht wie eine normale Großmutter. Eine normale Großmutter hätte mitleidig geguckt, mir die Hand getätschelt und mir selbst gebackene Plätzchen geschenkt oder einen Dollar.
Nicht meine Großmutter. O nein. Meine Großmutter seufzte bloß: »Tja, wenn du meine Ratschläge auch nicht befolgst …«
Oh Mann! Genau, Grandmère - gib mir noch einen kräftigen Fußtritt, wenn ich schon am Boden liege!
»Hä, was soll’n das heißen?«, knurrte ich genervt.
» Pardon ?«, fragte Grandmère. »Hast du mich eben gefragt, was das heißen soll? Sprich gefälligst höflicher mit mir.«
»Was… sollte… das… denn… bitte… heißen, Grandmère?«, fragte ich höflich, obwohl ich mich innerlich natürlich alles andere als höflich fühlte.
»Es heißt, dass du nicht getan hast, was ich dir geraten habe. Ich hatte dir empfohlen, dir einen geeigneten Anreiz zu überlegen, um deinen Michael dazu zu bringen, dich mit Freuden auf deinen Ball zu begleiten. Aber du sitzt ja lieber herum und schmollst, statt die notwendigen Schritte einzuleiten, um dir zu holen, was du willst.«
Das ging zu weit.
»Entschuldige mal, Grandmère«, fuhr ich sie an. »Ich habe weiß Gott alles Menschenmögliche getan, um Michael davon zu überzeugen, zum Abschlussball zu gehen.« Alles, außer ihm zu sagen, warum es mir so wichtig ist - das nicht. Aber das hätte ihn vielleicht auch nicht überzeugt. Und wie peinlich wäre das gewesen? Vor dem Mann, den ich liebe, mein Innerstes zu entblößen, nur um mir anhören zu müssen, dass seine Abneigung gegen alberne Abschlussbälle stärker ist als sein Wunsch, mir meinen Lebenstraum zu erfüllen?
» Mais non «, widersprach Grandmère. »Hast du nicht.« Sie drückte ihre Zigarette aus und ließ grau-blaue Rauchschwaden aus ihren Nasenlöchern strömen - es ist unfassbar, dass das gesamte Gewicht des genovesischen Throns allein auf meinen schmalen Schultern lastet und sie sich überhaupt keine Gedanken darüber macht, welche Folgen es für meine Lungen hat, dass ich immer ihre Zigaretten passiv mitrauchen muss. »Ich hatte dir das bereits erklärt, Amelia«, sagte sie. »In einer Situation, in der sich zwei gegnerische Parteien gegenüberstehen, ist es stets ratsam, zurückzutreten und sich zu fragen, was der Feind überhaupt will.«
Ich blinzelte durch den Nikotinnebel. »Du meinst, ich soll mir überlegen, was Michael will?«
»Korrekt.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist leicht. Er will nicht zum Abschlussball. Weil er Abschlussbälle albern findet.«
»Nein, das ist es, was Michael nicht will. Was will er?«
Darüber musste ich nachdenken.
»Hm.« Ich sah zu Rommel hinüber, der verstohlen angefangen hatte, sich die letzten Fellreste von der Pfote zu lecken. »Na ja... Michael will gern mit seiner Band auftreten.«
» Bien «, lobte Grandmère, was auf Französisch »gut« heißt. »Und was will er außerdem?«
»Hm.« Ich dachte weiter nach. »Keine Ahnung.« Aber das mit der Band hatte mich auf eine Idee gebracht. Der Abschlussball wird traditionell von den unteren Klassen für die Zwölftklässler ausgerichtet, auch wenn wir selbst nur auf Einladung eines Zwölftklässlers hingehen dürfen. In einer der letzten Ausgaben des Atoms hatte das Orga-Komitee etwas über den bisherigen Stand der Planung geschrieben und erwähnt, dass schon ein DJ gebucht sei.
»Selbstverständlich weißt du, was Michael will«, sagte Grandmère scharf. »Michael will das, was jeder Mann will.«
»Du meinst …« Ich war platt. Unglaublich, wie fix Grandmères Gehirn funktioniert. »Du meinst, ich soll das Orga-Komitee fragen, ob Michaels Band auf dem Ball spielen kann?«
Aus irgendeinem Grund begann Grandmère zu husten. » Pardon … was?«, fragte sie, nachdem sie sich
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