Prinzessin in Pink
Einzelheiten seines Zusammenstoßes mit der Fürstinmutter und deren Hund abzukaufen.
»Im Ernst?« Ich bin erstaunt. »Wie viel haben sie ihm geboten?«
»Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen hab, war es eine sechsstellige Summe.« Lilly wischt sich mit der Spitzenstola, die mir ein österreichischer Prinz geschenkt hat, über die Augen. »Seinen Job im ›Les Hautes Manger‹ braucht er jedenfalls nicht mehr, so viel steht fest. Er will jetzt ein eigenes Restaurant eröffnen. Einen Namen hat er auch schon. ›Nepalesisches Nirvana‹.«
»Boah.« Lilly tut mir Leid. Im Ernst. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schlimm es ist, wenn sich jemand, den man für seinen spirituellen Lebenspartner gehalten hat, als publicitygeiler Verräter entpuppt. Besonders wenn er so gut küssen kann wie Josh - äh, ich meine Jangbu.
Aber dass Lilly mir Leid tut, heißt nicht, dass ich ihr verzeihe. Ich bin vielleicht noch nicht selbstaktualisiert, aber ich hab meinen Stolz.
»Weißt du was?«, sagt Lilly. »Ich hab schon vor dem Streik gemerkt, dass ich Jangbu nicht wirklich liebe. Als sich Boris meinetwegen den Globus auf den Kopf fallen ließ, da hab ich gespürt, dass ich nie aufgehört hab, ihn zu lieben. Das musst du dir mal vorstellen, Mia! Er hat sich meinetwegen nähen lassen. Nur aus Liebe zu mir. Kein Junge hat mich jemals so geliebt, dass er dafür sogar bereit war, körperliche Schmerzen und Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen… am allerwenigsten
Jangbu. Der ist viel zu scharf darauf, berühmt zu werden. Boris ist da ganz anders. Er ist tausendmal talentierter und begabter als Jangbu, aber Ruhm interessiert ihn gar nicht.«
Ich bin ziemlich ratlos und weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Lilly entgeht das nicht. Gerade hat sie mich mit zusammengekniffenen Augen angeschaut und gesagt. »Kannst du vielleicht mal eine Sekunde lang aufhören, in dein Tagebuch zu kritzeln, und mir sagen, wie ich Boris’ Herz zurückerobern kann.«
Obwohl es mir selbst wehtut, muss ich Lilly sagen, dass ihre Chancen, Boris’ Herz je zurückzuerobern, quasi bei null liegen. Unter null sogar. Also im Bereich der negativen Polynome.
»Tina ist voll verknallt in ihn«, erzähle ich ihr. »Und ich glaub, er auch in sie. Stell dir mal vor, er hat ihr sogar die Postkarte von Joshua Bell mit dem Autogramm drauf geschenkt …«
Als Lilly das hört, greift sie sich von existenziellem Schmerz erfüllt ans Herz. Oder auch nicht existenziell, weil ich noch nicht mal genau weiß, was existenziell überhaupt bedeutet. Jedenfalls greift sie sich ans Herz und lässt sich dramatisch quer auf mein Bett fallen.
»Diese Hexe!«, kreischt sie so laut, dass ich Angst hab, Mr G kommt gleich wütend hier reingestürzt und schimpft, wir sollen den Fernseher gefälligst leiser stellen, weil er denkt, wir schauen »Charmed«. »Diese hinterlistige, hinterhältige, hinterfotzige Hexe! Das wird sie mir büßen, dass sie mir den Mann weggenommen hat. Die knöpf ich mir vor!«
Ich gucke sie streng an und sage ihr, dass sie sich niemanden vorknöpfen wird, weil Tina Boris nämlich zutiefst liebe und in ihm alles gefunden habe, wonach sie sich je gesehnt habe - nämlich zu lieben und wiedergeliebt zu werden, wie Ewan McGregor in »Moulin Rouge«. Ich sage ihr, wenn sie Boris wirklich so sehr liebt, wie sie behauptet, soll sie ihn und Tina in den nächsten Wochen bis zum Ende des Halbjahres in Ruhe lassen. Falls sie Boris nach den Herbstferien dann immer noch
liebt und wiederhaben will, kann sie ja was sagen, aber erst dann.
Ich glaub, Lilly ist ziemlich erstaunt über meinen weisen - und sehr unverblümten - Rat. Sie braucht wohl einige Zeit, um ihn zu verdauen. Jedenfalls sitzt sie stumm auf der Bettkante und stiert auf meinen Prinzessin-Leia-Bildschirmschoner. Es ist wahrscheinlich ein ziemlicher Schlag für ein Mädchen mit einem so aufgeblähten Ego wie Lilly, dass ein Junge, der sie mal geliebt hat, über sie hinwegkommt und ein anderes Mädchen lieben kann. Tja, sie wird sich daran gewöhnen müssen. Denn nachdem ich miterlebt hab, wie Boris diese Woche gelitten hat, werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass Lilly nie, nie wieder mit ihm zusammenkommt. Und wenn ich mich dazu mit so einem riesigen alten Schwert vor Boris aufbauen muss wie Aragorn vor Frodo. Ich bin fest entschlossen, zu verhindern, dass Lilly dem armen Boris Pelkowski mit seinem bandagierten, missgestalteten Genieschädel jemals wieder wehtut.
Ich weiß nicht, ob sie meine
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