Prinzessin in Pink
Entschlossenheit an meiner Schreibgeschwindigkeit erkennt oder an meiner verbissenen Miene, jedenfalls hat sie gerade geseufzt und »Oooookay« gesagt.
Dann hat sie ihre Jacke angezogen, um zu gehen. Weil sie ja, selbst wenn sie nicht mehr mit Jangbu zusammen ist, weiterhin die Vorsitzende des Aktionsbündnisses »SGDUEVJP« bleibt und eine Menge zu tun hat.
Nur nicht, sich bei mir zu entschuldigen.
Dachte ich jedenfalls.
Doch an der Tür drehte sie sich noch mal um und sagte: »Du, Mia, tut mir Leid, dass ich gesagt hab, du wärst schwach. Du bist nicht schwach, du bist sogar einer der stärksten Menschen, die ich kenne.«
Na endlich! Und sie hat verdammt Recht! Ich hab nämlich wirklich schon eine Menge Dämonen in die Knie gezwungen. Im Vergleich zu mir sehen die Mädels aus »Charmed« aus wie
die von »Unsere kleine Farm«. Im Ernst. Ich müsste eigentlich einen Orden bekommen oder zumindest die Ehrenbürgerschaft von New York oder so was.
Gerade als ich dachte, ich könnte mal entspannen und müsste nicht die ganze Zeit stark sein - nachdem Lilly sich wegen der Garderoben-Knutscherei auch noch bei Mom und Mr G entschuldigt hatte und ihr großzügig verziehen worden war, hatten wir uns umarmt und verabschiedet -, da klingelte es schon wieder an der Tür. Diesmal war ich mir ganz sicher, dass es nur Michael sein konnte. Er hat mir ja versprochen, mit den Hausaufgaben vorbeizukommen.
Man kann sich mein Entsetzen - ja, mein Grauen - vorstellen, als ich freudig zur Sprechanlage hüpfte, auf »Sprechen« drückte, »Halloo-ooooo?« säuselte und mir nicht die vertraute tiefe, warme Stimme der einzig wahren Liebe meines Lebens entgegenschallte, sondern... das schauderhafte Krächzen von GRANDMÈRE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Freitag, 9. Mai, 1 Uhr nachts, auf dem Futonsofa
Es ist ein Albtraum. Es muss einer sein. Irgendwer zwickt mich gleich, ich wache auf und alles ist vorbei und ich liege kuschelig in meinem eigenen Bett und nicht hier im Wohnzimmer auf dem Futon (wieso ist mir eigentlich vorher nie aufgefallen, wie hart dieses Teil ist?).
Nur dass es KEIN Albtraum ist. Und das weiß ich zufälligerweise genau, weil man Albträume bloß hat, wenn man schläft, was ich nicht kann, weil Grandmère zu laut SCHNARCHT!
Das ist die reine Wahrheit. Meine Großmutter schnarcht. Wäre das nicht ein gefundenes Fressen für die Post ? Ich sollte gleich in der Redaktion anrufen und den Hörer an meine Zimmertür halten (man hört es sogar durch die GESCHLOSSENE Tür). Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir:
Clarisse Renaldo von Genovia: Ein wahrhaft fürstliches Schnarchkonzert!
Was hier abläuft ist echt nicht zu fassen. Als wäre mein Leben nicht versaut genug. Als hätte ich nicht schon genug Probleme. Jetzt ist auch noch meine psychotische Großmutter bei uns eingezogen.
Ich traute meinen Augen kaum, als ich die Wohnungstür aufmachte und sie mitsamt ihrem Chauffeur und ungefähr fünfzig Millionen Louis-Vuitton-Reisetaschen vor mir stand. Ich glaub, ich hab sie eine geschlagene Minute lang nur stumm
angestarrt, bis sie schnarrte: »Was ist, Amelia? Willst du mich nicht hereinbitten?«
Sie ließ mir jedoch gar keine Gelegenheit, etwas zu sagen, sondern drängelte sich laut zeternd an mir vorbei. Es sei ein Skandal, dass wir keinen Lift hätten, und ich machte mir ja keine Vorstellung davon, wie anstrengend es für eine Frau ihres Alters sei, drei Stockwerke hochzusteigen. (Natürlich verlor sie kein Wort darüber, wie anstrengend es für einen Chauffeur sein muss, ihr gesamtes Gepäck die eben erwähnten Stockwerke hochzuschleppen.)
Dann ging sie im Stechschritt die Wohnung ab, wie es so ihre Art ist, wenn sie zu Besuch ist, nahm irgendwelche Gegenstände in die Hand, betrachtete sie abfällig und stellte sie achtlos wieder hin. Moms Dia-de-los-Muertos-Skelettsammlung aus Mexiko zum Beispiel und Mr Gs NCAA-Getränkehalter.
Durch den Lärm aufgeschreckt, waren Mom und Mr G aus dem Schlafzimmer gekommen und blieben vor Entsetzen wie erstarrt stehen. Mittlerweile hatte sich auch Rommel aus Grandmères Handtasche befreit, wankte auf seinen spindeldürren Rehbeinchen herum und beschnüffelte alles so angstvoll, als rechne er damit, irgendetwas könne ihm jeden Moment ins Gesicht springen (was durchaus passieren kann, wenn er an Fat Louie schnüffelt).
»Ähem, Clarisse?«, sagte meine Mutter (die Tapfere!). »Darf ich fragen, was du hier willst? Mit … äh, etwas , das nach dem Inhalt deines gesamten Kleiderschranks
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