Prinzessin Kate
1915 zum Kriegsdienst und kämpfte mit den Royal Fusiliers in Frankreich, zuerst in den Schützengräben, später arbeitete er in der Küche. Nachdem Charlies älterer Bruder, ein Soldat im Middlesex Regiment, im Alter von nur 30 Jahren einer Seuche zum Opfer gefallen war, verlor der Vater der Jungen allen Lebenswillen und starb kurz nach dem Ende des Krieges mit 68 Jahren. So bedeutete das Kriegsende auch das Ende einer weiteren Generation der Goldsmiths, doch es läutete für Kates Urgroßeltern Charlie und Edith und ihre Kinder ein neues Zeitalter ein.
Kapitel 4
Die Goldsmiths, 1918–1953
Kurz vor Weihnachten 1918, sechs Wochen nach dem Waffenstillstand, lagen Tausende Soldaten immer noch in Frankreich, während sich die Generäle und Politiker um die Friedensbedingungen stritten. Andere hatten mehr Glück und waren bereits auf dem Weg nach Hause. Kates Urgroßvater, der Gefreite Charlie Goldsmith, kehrte kurz nach seinem 32. Geburtstag aus Frankreich in die Heimat zurück. Im Haus in der Clarence Street 57, Southall, herrschte freudige Erwartung. Seine Frau Edith und ihre drei kleinen Kinder begrüßten ihn: Charlie, neun, Alice, sieben, und Ede, fünf Jahre alt. Ihr viertes Kind Annie, auch Hetty genannt, war nun sechs Monate alt. Edith und er hatten sie während eines Fronturlaubs gezeugt.
Nachdem die junge Familie Charlie begrüßt hatte, gingen alle zu einer Weihnachtsfeier mit anderen Kriegsveteranen des Ortes und deren Familien; danach waren sie zum Tee im Rathaus von Southall eingeladen. Alice, heute 97 Jahre alt, erinnert sich noch gut an den Abend: »Ich war noch ein kleines Mädchen, aber ich kann mich daran erinnern, wie er in seiner Uniform nach Hause kam. Und ich erinnere mich an die Kinderparty und an die Feier. Sie fand in einem Saal unten am Bahnhof statt, einem früheren Billardsaal. Von dort gingen wir zum Tee ins Rathaus, wo wir ein Geschenk vom Weihnachtsmann erhielten. Ich bekam ein Hüpfseil.«
Für die Familie waren die frohen Feiern eine höchst willkommene Unterbrechung des Alltags, denn das Leben zwischen den beiden Kriegen war ein ständiger Kampf. Heute ist Southall ein vorwiegend von Asiaten bevölkerter Bezirk, aber damals war es ein Vorort weißer Arbeiter, die in den neuen Backsteinfabriken, Getreidemühlen und Chemiefabriken, in den Güterbahnhöfen und Maschinenfabriken beschäftigt waren. Rund um den Grand- Junction-Kanal, an der Brunels-Great-Western-Eisenbahn und an der Uxbridge Road wurde ein Industriegebiet aus dem Boden gestampft. Der Kanal war einst der wichtigste Transportweg für den Güterverkehr zwischen London und Birmingham gewesen. Leider wurde das Leben für die Familie auch nach Charlies Rückkehr nicht viel leichter, denn »Putty«, wie er von seinen Kumpeln genannt wurde, litt an einem Lungenemphysem. Er musste seinen Job im Kohlebergbau aufgeben. In der Milchzentrale Maypole Dairy, die einem holländischen Margarinehersteller gehörte, fand er einen Arbeitsplatz. Die Milchzentrale war 1894 gegründet worden und zu einer der größten ihrer Art weltweit aufgestiegen. Sie hatte einen eigenen Gleisanschluss und auch einen eigenen Seitenarm des Kanals.
»Als mein Vater nach Hause kam, ging es ihm nicht sehr gut«, sagt Alice. »Ich weiß nicht, was sein Emphysem ausgelöst hatte – die Schützengräben oder das Rauchen? Über den Krieg redete er nie und erzählte uns auch nicht davon. Aber nachdem er aus Frankreich zurück war, sagte er immer: ›Meldet euch bloß nie freiwillig für irgendetwas, denn ihr wisst nie, worauf ihr euch einlasst.‹ Wir durften tun und lassen, was wir wollten, es gab keine Einschränkungen oder so. Aber wahrscheinlich waren damals alle Kinder so. Alle waren schlimm dran und niemand hatte irgendetwas.«
Trotz ihrer angespannten Lage bekamen Charlie und Edith noch zwei weitere Kinder: Joyce wurde 1924 geboren und Kates Großvater Ronald am 25. April 1931. Beide kamen in der Clarence Street auf die Welt, einem der damals ärmsten Viertel, in dem die vielköpfigen Familien der Arbeiter lebten, die ihren Lebensunterhalt in den Fabriken und Gaswerken verdienten und die jede nur mögliche Stunde zur Arbeit gingen. Das bedeutete große Härte, aber es brachte auch ein Gemeinschaftsgefühl hervor: Die Nachbarn beaufsichtigten abwechselnd die Kinder. Zu den Nachbarn der Goldsmiths gehörte auch die Familie der später berühmt gewordenen Jazzsängerin Cleo Laine (seit 1979 Lady Dankworth), die dreieinhalb Jahre älter war als
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