Prinzessin Kate

Ronald.
    Als Ronald geboren wurde, war sein Vater wieder als Bauarbeiter tätig. Alice war damals 20 Jahre alt und hatte das Elternhaus schon verlassen, da sie zwei Jahre zuvor Bill Tomlinson geheiratet hatte. Bill war ein Bergmann aus Wales, der nach London gezogen war und nun in der Rockwell-Glashütte arbeitete. »Ich ging mit 14 von der Schule ab und hatte verschiedene Jobs in Fabriken, bis ich dann mit 18 Bill heiratete«, erzählt Alice. »Wir lernten uns im Southall Park kennen. Und eigentlich waren wir sehr froh, als wir endlich heiraten und von zu Hause wegziehen konnten.«
    Ronald war acht Monate alt, als sein älterer Bruder Charlie, inzwischen 22 und Gipsermeister, am Zweiten Weihnachtstag 1931 die Arbeitertochter Emma Neal heiratete. Das Paar gab sich in der Pfarrkirche St. John in Southall das Jawort. »Charlie war ein cleverer Junge, aber recht zurückhaltend«, erinnert sich Alice, die mit ihrem Mann an der Hochzeit teilnahm. »In den Augen meiner Mutter konnte er nichts falsch machen. Für ihre beiden Jungen tat sie alles und verwöhnte sie maßlos. Sie himmelte Ron an, und Charlie war für sie die Unschuld in Person.
    Schon als Kind hatte Charlie das Gipsen erlernt. Mein Onkel Ben war Stuckateur und arbeitete in Herrenhäusern wie Osterley Park. Er schuf all die Cherubim und Trauben und Gesimse. In seiner Werkstatt stellte er eigene Gussformen her. Ich weiß noch, dass ich als Kind dort oft spielte. Als Charlie in die Schule kam, fing Onkel Ben an, ihm das Gipsen beizubringen. Er konnte tatsächlich schon als kleiner Junge mit richtigen Werkzeugen eine Wand vergipsen. Und als er älter wurde, arbeitete er manchmal sogar für die besten Bauunternehmer im Ort, noch bevor er selbst richtig ausgebildet war. Er war wirklich erfolgreich. Der einzige Mann in der Clarence Street, der ein Auto besaß. Ich glaube, es war neu, und er hatte dafür 300 Pfund bezahlt.
    Er feierte seine Hochzeit sehr nobel in einer Kirche und mit Brautjungfern, und mietete dafür den Co-op-Saal. Emma stand immer im Mittelpunkt. Aber sie bekamen keine Kinder. Ich weiß nicht, ob sie keine Kinder wollten oder keine haben konnten. Aber sie liebten sich sehr, waren immer zusammen. Und sie hatten ein schönes Leben, ließen es sich immer gut gehen und hatten auch ein bisschen Geld.«
    Alices Tochter Pat Charman ist heute 75 Jahre alt und mochte sie beide sehr. »Tantchen Em war ein bisschen exzentrisch«, erinnert sie sich. »Es konnte sein, dass man ihr auf der High Street in einem Taftkleid und Pelzmantel begegnete. Aber ich mochte sie wirklich sehr, sie war immer sehr freundlich und lächelte ständig. Sie gab einem das Gefühl, willkommen zu sein. Wenn sie mich erblickte, begann sie immer sofort zu strahlen.«
    Ein Jahr später tat es auch Ronalds Schwester Ede, eine Verkäuferin, ihren Geschwistern nach und trat vor den Altar. Sie heiratete ebenfalls in der Pfarrkirche St. John den Arbeiter Henry »Tich« Jones, allerdings war die Hochzeitsfeier sehr viel bescheidener als die von Charlie und Emma. Aber sowohl Alice als auch Ede bekamen sofort Kinder – Alices Tochter Pat wurde 1933 geboren, Edes Sohn Harry 1935 –, und Ronald verbrachte viel Zeit mit seiner Nichte und seinem Neffen.
    »Als älteste Tochter musste ich auch für die anderen sorgen«, erinnert sich Alice. »Ich war selbst schon verheiratet, als Ron auf die Welt kam, war bei der Geburt dabei und hatte ihn fast ständig bei mir. Ich setzte meine Tochter Pat an ein Ende des Kinderwagens und Ron ans andere Ende, und wenn ich dann mit den beiden im Wagen durch die Stadt ging, sagten die Leute: ›Ach, Sie haben zwei Kinder?‹, aber natürlich war Ron mein Bruder und Pat meine Tochter. Es gab niemanden, der meinen Ron nicht mochte. Er war so ein hübscher blonder Junge! Wir waren alle blond; wir sahen aus wie Elfen, wir alle. Und Ron wuchs zu einem wunderbaren Mann heran. Ich hatte ihn unglaublich gern.«
    Das Leben der Familie nahm eine tragische Wende, als Charlie Goldsmith Senior am 5. Januar 1938 an Asthma und akuter Bronchitis starb, Krankheiten, die er vermutlich aus dem Krieg mitgebracht hatte. Er hinterließ seine Frau Edith, die ihre zwei jüngeren Kinder allein großziehen musste. Kates Großvater Ronald war damals erst sechs Jahre alt.
    Edith war nicht einmal 1,50 Meter groß, ein Spatz von einer Frau, die 20 Woodbine-Zigaretten am Tag rauchte und ihre Töchter oft am Abend zum Pub schickte, um für sie einen Krug Starkbier und Zigaretten zu holen. Sie