Prinzessin Kate
schaffte es nie, aus ihren ärmlichen Umständen auszubrechen, aber sie herrschte in ihrer Familie mit eiserner Hand und gab ihnen nicht nur ihre Findigkeit mit, sondern auch die Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Nach dem Tod ihres Mannes geriet sie in solche Not, dass sie gezwungen war, mit ihrer Tochter Joyce, damals 13, und Ronald in eine Wohnung in einem abbruchreifen Haus in der Dudley Road umzuziehen. Die Straße verlief parallel zur Clarence Street, war aber noch schäbiger. Edith arbeitete während des Kriegs in der Hackfleischproduktion bei Keeley & Toms, später in Tickler’s Factory, wo Marmeladen, Gelees und Essiggurken hergestellt wurden. Wenn sie arbeiten ging, lieferte sie ihre Kinder bei ihren Eltern ab, die in der nahe gelegenen Spencer Street wohnten, oder bei ihren älteren Töchtern.
»Meine Mutter musste hart arbeiten, um uns alle durchzubringen«, sagt Alice. »Sie lieferte ihre Kinder nur ungern bei anderen ab, doch sie hatte keine Wahl. Sie war keine böse Frau, aber sie hatte ihre Launen. Man musste nur ein falsches Wort sagen, und schon warf sie einem einen Schuh an den Kopf. Es kam zwar gelegentlich auch vor, dass sie ihre Kinder schlug, aber wehe dem, der es wagte, ihre Kinder auszuschimpfen oder ihnen gar wehzutun. Sie war bereit, ihre Kinder bis zum Tod zu verteidigen. Ja, sie trank und rauchte eine Menge, aber wer konnte ihr das schon verübeln, bei allem, womit sie fertigwerden musste? Damals waren alle übel dran.«
Alices Tochter Pat erinnert sich noch an die Besuche in Ediths Wohnung in der Dudley Road. »In einer Ecke der Küchennische stand einer dieser uralten Boiler, unter denen man ein Feuer anzünden musste, um das Wasser zu erwärmen. Sah aus wie eine dreieckige Badewanne. Oma Edith heizte mit Kohle. Die ganze Wäsche wurde im Boiler gewaschen. Das Klo war direkt neben dem Boiler, alles im selben Zimmer. Sie trank gern und schickte meine Mutter oft mit einem Krug zum Pub, um Bier zu holen.«
Am 26. Februar 1938, weniger als zwei Monate nachdem Ediths Mann Charlie gestorben war, heiratete ihre dritte Tochter Hetty den Maurer George Clark. Sie war bereits im siebten Monat schwanger mit dem ersten der elf Kinder, die sie gebären sollte und die sie alle nur mit Sozialhilfe aufzog. »Hetty war eine wunderbare Person«, sagt Alice. »Sie gab einem alles. Ich weiß wirklich nicht, wie sie es schaffte, die vielen Kinder aufzuziehen.«
Ein Jahr nach Hettys Auszug änderte sich das Leben der Gold-smiths erneut. Der Zweite Weltkrieg begann, und die Männer wurden zu den Waffen gerufen. Ronald war erst acht Jahre alt, als England am 3. September 1939 um 11.15 Uhr Deutschland den Krieg erklärte. Seit dem Tod seines Vaters waren Ronalds Schwäger Bill Tomlinson und Henry Jones seine wichtigsten männlichen Bezugspersonen gewesen; nun waren beide weit von zu Hause stationiert. Bill arbeitete bei Operation Pluto mit, die zum Ziel hatte, eine riesige Ölpipeline unter dem Kanal hindurch zum Kontinent zu legen; Henry bewachte Kriegsgefangene in einem Lager in Rochester, Kent.
Ihre beiden Frauen, Alice und Ede, arbeiteten in Hoovers Munitionsfabrik, mussten sich aber auch um ihren Bruder Ronald und ihre eigenen Kinder kümmern. Pat war bei Kriegsausbruch fünf Jahre alt, Harry war drei. »Im Krieg mussten Frauen mit nur einem Kind arbeiten«, erinnert sich Pat. »Deshalb arbeiteten meine Mutter und Tante Ede in der Fabrik und kümmerten sich abwechselnd um uns Kinder. Mum opferte die letzte Brotscheibe für uns. Aber sie war auch sehr streng. Mein Vater war ungefähr 1,80 und meine Mutter ist nur 1,60 Meter groß, aber sie beherrschte ihn mit eiserner Hand.
Ron wohnte in einer entsetzlichen Bruchbude, aber er war ein unglaublich netter Junge. Natürlich war das Leben nicht leicht für ihn – zum Beispiel brachte man ihn nie zum Zahnarzt. Aber er war sehr beliebt, weil er ein so angenehmes Wesen hatte und so viel Sinn für Humor. Alle mochten ihn.«
Während des Kriegs wurden viele Kinder aus Sicherheitsgründen aus den Gemeinden und Städten aufs Land gebracht. Auch Pat gehörte zu den fast drei Millionen Menschen, in der Mehrheit Kinder, die im Rahmen der Operation Rattenfänger ihr Elternhaus verlassen mussten. Die Operation begann zwei Tage vor der Kriegserklärung. Anfang 1940 verließ Pat London, bekam aber dann solches Heimweh, dass ihre Mutter sie kurz vor dem »Blitz« wieder nach Southall zurückholte. »Wir wohnten in einem Bergarbeiterhaus in Wales«,
Weitere Kostenlose Bücher