Prisma
beschrieb den MFW und seine Funktionen und versuchte für den Tausendfüßler in Gedanken ein so eindeutiges Bild wie möglich zu entwerfen.
»Aha. Demnach hast du ein hartes Exoskelett wie so viele andere weiche Wesen, aber du warst gezwungen, es abzustreifen.«
»Nein, nein!« Evan zügelte seine Ungeduld. »Es ist ein Anzug. Es ist nichts Natürliches, kein normaler Teil meines Körpers. Es ist ein künstlich hergestelltes Gerät, etwas, das aus Rohmetallen und – chemikalien geschaffen wird.«
»Dann ist es ein Exoskelett.«
»Aber ein Exoskelett wird vom eigenen Körper erzeugt. Ein Anzug wird mit Werkzeugen, mit Maschinen gebaut.«
»Was sind Werkzeuge?«
Evan war kurzfristig sprachlos. Ein hochintelligenter Alien, der überhaupt keine Ahnung von Werkzeugen hatte?
»Darüber können wir uns später unterhalten.« Er suchte das Gelände in seiner Umgebung besorgt ab. Der Tausendfüßler hatte klugerweise sein Gepäck geborgen, das offensichtlich unversehrt in der Nähe lag. Entweder hatten die Räuber den Inhalt noch nicht entdeckt, oder sein fremdartiger Vetter hatte sie verscheucht.
Lebensmittelpackungen lagen verstreut herum, wo sie aus dem Bündel auf den Boden gefallen waren. Er erhob sich und gab sich alle Mühe, das Gewicht auf den Schultern nicht zu beachten, ging hinüber und packte sein Bündel neu.
»Was bedeuten diese Dinge?«
»Nahrung.«
»Wirklich? Sie sind aber überhaupt nicht hell.«
»Sie enthalten chemische Energie. Ich bin kein Photovore wie du. Mein Körper produziert Energie durch die Oxidation bestimmter chemischer Verbindungen und indem er sie in Zucker und andere Substanzen zerlegt, die… Nun, mit der organischen Chemie können wir uns später noch beschäftigen.«
»Ich weiß, dass weiche Lebensformen Energie gewinnen, indem sie andere weiche Lebensformen konsumieren, aber ich habe sie nie in einen solchen Zustand reduziert gesehen. Ich wusste, dass du ein Weichformen-Esser bist, weil du Schatten gesucht hast, während alle anderen intelligenten Kreaturen instinktiv zum Licht streben.«
»Ich brauche kein Sonnenlicht, um zu leben«, sagte Evan und verbesserte sich dann: »Außer eine kleine Dosis gelegentlich. So dass mein Körper bestimmte Vitamine herstellen kann. Ich kann es nicht direkt in Energie verwandeln so wie du.«
»Und daher musst du wie alle Weichform-Esser sehr viel Zeit mit der Suche nach chemischen Kombination verbringen, die du verzehren kannst. Welch furchtbare Verschwendung wertvoller Lebenszeit!«
»Da gebe ich dir recht. Andererseits kann ich Nahrung in totale Dunkelheit mitnehmen und dort lange Zeit leben.«
»Wer will denn so was?« Der Tausendfüßler reagierte mit einem mentalen Schaudern.
Die Antennen strichen sacht über Evans Hals, während er sich bückte, um seine Sachen aufzuheben. »Hör mal, meinst du nicht dass wir ohne dieses Verbinden-und-Stöpsel-Theater auskommen und uns mittels modulierter Schallwellen verständigen können?«
»Das habe ich anfangs versucht, wie ich schon sagte. Ich glaube nicht, dass es jemals zu erreichen ist. Deine Modulationen sind weitgehend nichts als Lärm. Außerdem fand vieles in einer Frequenz statt, die so niedrig ist, dass man sie fast gar nicht hören kann. Verursacht die Verbindung dir Schmerzen?«
»Nein, nein – nicht mehr. Ich glaube, es liegt nur daran, dass mir diese Vorstellung etwas fremd ist.«
»Es fällt mir noch immer schwer zu glauben, dass du über eine vollwertige Steckverbindung verfügst, ohne dir ihrer Existenz in deinem Körper bewusst zu sein.«
»Glaub es mir ruhig. Dein Hinweis war der erste in meinem Leben, dass ich über so etwas verfüge. Meine Art kommuniziert nur durch Sprechen.«
»Es wird immer ungewöhnlicher. Wie haltet ihr denn simultane Gruppenkonversationen ab?«
»Das tun wir gar nicht. Eine Person redet, und die anderen hören zu.«
»Das ist traurig. Es muss eure Kommunikation erheblich bremsen und den Informationsaustausch behindern. Sicher habt ihr Schwierigkeiten, harmonisch in einer Gruppe zu arbeiten.«
»Manchmal«, gab Evan zu und dachte an die endlosen Diskussionen, die er mit seinen Kollegen geführt hatte. »Wir sind ein diskussionsfreudiger Haufen, wir Menschen.«
Evan wurde trotz der fremden Ranken im Kopf zunehmend ruhiger und entspannter. Sein neuer Freund war nicht nur neugierig und erstaunlich intelligent; er war auch voller Mitgefühl und Sorge um ihn. Und er hatte ihn vor den Blutsaugern gerettet. Sicher, er war ohne Erlaubnis in
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