Prisma
genoss es, zum erstenmal seit Tagen die Augen wieder richtig öffnen zu können. »Wohin jetzt?«
»Wir sind hier noch nicht fertig.«
»Wie du meinst.« Was hatte Azur sonst noch mit ihm vor? Eine weitere Brille, diesmal aus einem noch dunkleren Material?
Azur führte ihn durch den Wald, bis sie zu einem kleinen Teich gelangten. Dieser lag für sich allein und hatte keinen sichtbaren Zu- oder Abfluss. Wie zu erwarten, war das Wasser trübe, und es wimmelte darin von Diatomeenschwärmen.
»Steig hinein!« wies Azur ihn an.
»Wie bitte?« Evans betrachtete die unappetitliche Suppe unsicher.
»Steig hinein und tauch unter – aber achte darauf, dass dein Kopf über Wasser bleibt!«
»Warum? Welche Gefahr besteht denn?«
»Keine Gefahr. Nur eine Vorsichtsmaßnahme, die weiche Formen beachten sollten.«
Evan beugte sich über den Teich und versuchte, das Geheimnis im Wasser zu ergründen. »Was wird denn mit mir geschehen?«
»Du brauchst Schutz. Der Teich wird ihn dir geben.« Als Evan weiterhin zögerte, fügte Azur mit einem Anflug von Ungeduld hinzu: »Habe ich bisher irgend etwas getan, das dir schadete?«
»N-e-e-e-i-i-i-n.« Evans überlegte. Es war nur Wasser. Er konnte jederzeit schnellstens hinaussteigen, falls es sich als angeraten erwies.
Er ließ sich hineingleiten und streckte sich aus, wobei sein Kopf auf dem Randstreifen ruhte. Warmes Wasser sickerte ihm durch die leichte Bekleidung. Irgend etwas machte sich an seinen Beinen zu schaffen.
Er griff nach unten, um sich zu kratzen, wurde aber von Azur davon abgehalten, der am Rand neben seinem Kopf hockte und immer noch in seinen hochgewachsenen weichen Freund eingestöpselt war.
»Lass das! Entspann dich und lass die Foroporien ihr Werk verrichten.«
Evans befolgte den Rat, obgleich das krabbelnde Gefühl stärker wurde und es ihn Mühe kostete, die Hände ruhig zu halten. Es war kein Schmerz, sondern lediglich unangenehm. Er hob den Kopf etwas, um seinen Körper zu betrachten.
Eine dünne Schicht Silikat bildete sich auf dem Körper. Als es sich festsetzte, riss ihm die Kleidung von innen her auf. Der Verlust des leichten Unterzeugs störte ihn nicht sonderlich. Diese Kluft war sowieso schon fadenscheinig geworden und stellenweise zerfetzt. Den Prozess zu verfolgen, war faszinierend. Millionen von mikroskopischen Wesen fanden sich kaum einen Zentimeter über seiner Haut zusammen, ähnlich wie Korallen sich auf Riffen formieren, nur dass dieser Vorgang ungleich schneller ablief.
Er wand und drehte sich leicht. Dort, wo der Widerstand größer war, sorgten die Foroporien für mehr Bewegungsraum. Er fühlte jetzt an seinem ganzen Körper hinunter, schob die sich verdickende Schicht im Bereich der Gelenke und Falten weiter vom Körper weg und spannte jeden einzelnen Muskel an, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Als die Schicht etwa einen Zentimeter dick war, hörte der Wachstumsprozess auf.
Indem er sich an Azurs Anweisungen hielt, lag er mehrere Stunden lang so still wie möglich, wonach sein Freund schließlich meinte: »Du darfst jetzt aufstehen.«
Evan betrachtete die cremeweiße Hülle, die ihn umschloss, und versuchte die Beine zu beugen. Die Hülle war so unnachgiebig wie Metall. »Wie?«
»Tatsächlich, wie? Ich hab’s wohl vergessen.«
»Du hast es vergessen?« Evan gab sich alle Mühe, um jeden Anflug von Panik aus seinen Gedanken zu verbannen. Wenn er nun die ganze Zeit über hinters Licht geführt worden war und sich hatte einpacken lassen, um gemütlich verzehrt zu werden…
Azur kroch vorwärts und packte Evan bei den Schultern. Mit unerwarteter Kraft zog er den umhüllten Menschen aus dem Teich. Dann begann er an Evans Körper zu arbeiten, indem er an den Gelenken herumschnitt und Flüssigkeit auftrug. Sobald Evan begriff, was er tat, lieferte er Vorschläge und Anweisungen.
Zuerst wurde der rechte Arm an Schulter, Ellbogen und Handgelenk gangbar gemacht, dann der linke. Die Finger kamen zuletzt, und Azur wandte sich dem Oberkörper zu. Schließlich war die Arbeit abgeschlossen, und der Alien nahm wieder seinen alten Platz auf Evans Schultern ein.
»Ich werde jetzt aufstehen«, informierte dieser seinen segmentierten Freund. Das kostete einige Mühe, aber so steif wie sein Anzug auch war, Prisma hatte ihm eine neue Rüstung geliefert. Sie war cremeweiß und so leicht wie eine Graphitverbindung. Er fragte sich, ob sie wirklich so widerstandsfähig war, wie sie erschien.
»Die Foroporien sind wirklich stark«, versicherte
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