Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
recht blaß aus, aber er ist nie krank gewesen, solange ich mich erinnern kann."
"Ist er vielleicht zu Hause?"
"Da habe ich es heute schon einmal versucht, aber es hat sich niemand gemeldet!" Sussman zuckte mit den Schultern. "Ich hoffe nicht, daß ihm etwas passiert ist!"
"Können wir uns mal unter vier Augen sprechen, Mister Sussman?"
Er blickte nervös auf die vergoldete Rolex an seinem Handgelenk und machte ein Gesicht, das deutlich aussagte, wie wenig begeistert er davon war. "Ich habe einen vollen Terminkalender, Mister Walker."
"Ein paar Sekunden nur. Es geht darum, daß ich ganz gerne wüßte, ob Sie für möglich halten, daß jemand von den Mitarbeitern der Mercy Stiftung sich an den Spendengeldern vergreift."
Sussman zeigte nicht die geringste Regung. Wenn an Sally Marchs Verdacht wirklich etwas dran war, dann hatte er sich hervorragend in der Gewalt.
"Eine hypothetische Frage, nehme ich an...", meinte er.
"Was dachten Sie denn?"
In Wahrheit war es natürlich viel mehr gewesen. Eine Brücke für Sussman nämlich. Er hatte jetzt die Gelegenheit, mit seinem Verdacht gegen Enright herauszurücken. Aber das tat er nicht und das mußte einen guten Grund haben.
"Ich halte das für völlig unmöglich, Mister Walker. Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Wir können uns gerne ein anderes Mal darüber unterhalten, aber jetzt drängen meine Termine!"
Und damit war er Jo auch schon entwischt.
Vielleicht hatte Sally sich etwas eingebildet und es war nichts dran an der Sache. Oder Sussman schwieg aus Loyalität zur Stiftung. Aber es gab auch die Möglichkeit, daß Sussman sein Wissen noch anderweitig nutzen wollte, zum Beispiel zur Erpressung.
Jos nächster Weg führte zur Adresse von Saul Enright. Zwar war Enright nach Sussmans Auskunft vermutlich nicht dort, aber so konnte Walker immerhin das Gespräch mit Carrie Enright nachholen.
Dazu nutzte Jo die buchstäblich letzte Minute, denn als der Privatdetektiv mit seinem champagnerfarbenen Mercedes vor dem Haus der Enrights vorgefahren war, sah er, wie eine Frau gerade ein paar Koffer in einem Sportflitzer unterzubringen versuchte.
Sie blickte erst auf, als Jo sie schon fast erreicht hatte. Eine hübsche Frau mit einer Figur, bei der Jo sich gut vorstellen konnte, daß sie auch Moss Gardner nicht kalt gelassen hatte. Sie strich sich ihre braunen Locken aus dem Gesicht und musterte Jo mißtrauisch. Ihre Züge wirkten angestrengt - aber ob das vom Koffertragen herrührte oder ob ihr sonst noch eine Laus über die Leber gelaufen war, blieb schwer zu beurteilen.
"Wer sind Sie?" fragte sie ziemlich schroff.
Jo lächelte dünn. "Sie sind Carrie Enright, nicht wahr?"
"Ja, was wollen Sie?"
"Mein Name ist Walker. Ich ermittle im Fall Gardner."
"Polizei?" Ihr Ton veränderte sich leicht.
Jo schüttelte den Kopf. "Nein, privat."
Ihre Brust hob und senkte sich während eines tiefen Atemzugs. Vielleicht war sie ein wenig erleichtert.
"Sie wollen sicher zu meinem Mann, oder?"
"Ja, das auch. Aber ich muß auch mit Ihnen sprechen!"
"Ach, ja?" Ihr schien das nicht allzu sehr zu gefallen. Jo zog seine Zigaretten hervor und bot Carrie Enright auch eine an. Aber sie lehnte ab. "Wenn Sie mit mir reden wollen, dann tun Sie es jetzt, Mister Walker! Ich habe nämlich nicht viel Zeit."
"Wollen Sie verreisen?"
"Warum?"
"Na, es sieht so aus!"
"Das geht Sie nichts an!"
"Wo ist Ihr Mann?"
"In der Stiftung, nehme ich an."
"Da hat ihn heute noch niemand gesehen."
Sie zuckte mit den Schultern und wirkte jetzt ziemlich gereizt. "Was weiß ich, wo er steckt!" Mit ziemlich heftigen Bewegungen hob sie das letzte Gepäckstück in den nicht gerade geräumigen Kofferraum des Sportflitzers und schlug die Klappe zu. Sie sprang wieder auf und Jo half ihr.
"Wußte Ihr Mann, daß Sie ein Verhältnis mit Moss Gardner hatten?" fragte Kommissar X dann unvermittelt. Für einen Sekundenbruchteil erstarrten ihre Züge zu Eis. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt und verzog das Gesicht zu einem maskenhaften Lächeln.
"Wer hat Ihnen das denn erzählt?"
Jo grinste. "Es stimmt also!"
"Und wenn schon? Ich war nicht die einzige." Sie blickte Jo ruhig an und schien nachzudenken. "Ich verstehe, was Sie denken", meinte sie dann leise. "Sie glauben, daß mein Mann Gardner aus Eifersucht umgebracht haben könnte."
Jo zog an seiner Zigarette und blies den Rauch zu langen Schwaden.
"Ist der Gedanke vielleicht abwegig?"
"Nein, absolut nicht!" Sie sagte das mit einer erschreckenden Kälte.
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