Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
Vielleicht solltest du mal Dr. Purwin anrufen..."
"Dr. Purwin wird jetzt wohl kaum Zeit für mich haben. Selbst für Privatpatienten nicht."
"Ich dachte, er ist ein Freund der Familie."
"Ein Freund meines Vaters", korrigierte Ubbo. Er ging ins Wohnzimmer, ließ sich in einen der Plüschsessel fallen. Ziemlich klobig waren die, aber schön weich. Rena hatte ihm immer schon in den Ohren damit gelegen, endlich was Moderneres anzuschaffen. Etwas, das 'hip' war. Etwas, das 'in dieses neue Jahrtausend' passte und nicht den Eindruck erweckte, von vorgestern zu sein. Aber Ubbo hatte den Wunsch bislang erfolgreich abwehren können. Er mochte diese klobigen Möbel, auch wenn er nur wenige Stunden am Tag zwischen ihnen wohnte. Schließlich war Ubbo Sluiter ein sehr beschäftigter Mann. Und seit sein Vater tot war, galt das umso mehr.
Ubbo schloss die Augen für einige Momente.
Rena fragte sich, ob ihr Mann vielleicht etwas ahnte. Vielleicht war Ubbo doch nicht so blauäugig, wie sie immer gedacht hatte. Mach dich nicht verrückt!, sagte sie sich. Im Augenblick war ihre Hauptpriorität die Boutique. Endlich die eigene Herrin im eigenen Geschäft sein, das war es, wovon sie träumte. Auch wenn es nicht ihr Geld war, mit dem der Plan bewerkstelligt werden sollte. Diese Tatsache konnte ihr ihren Traum keinesfalls vermiesen.
Ohne Ubbo hatte sie keine Chance, ihre Schwiegermutter doch noch herumzukriegen. Also war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, eine Krise zwischen Ubbo und ihr. Streich ihm etwas um den Bart und er macht, was du willst!, vermutete sie. Angesichts der so glatt wie ein Babypopo rasierten Wangen ihres Mannes ein Gedanke, der sie amüsiert schmunzeln ließ.
Sie setzte sich auf die Sessellehne.
Ubbo spürte ihre Nähe, öffnete die Augen.
"Es ist so ruhig zu Hause", meinte er.
"Marvin und Kevin sind bei Freunden."
"So spät noch?"
"Sie übernachten bei Etzengas. Du weißt doch, vor zwei Wochen haben die Etzenga-Jungs bei uns übernachtet."
"Ah, ja..."
"Morgen habe ich einen Gesprächstermin mit dem Rektor von Marvins Schule."
"Worum geht's?"
"Angeblich hat unser Kleiner einer Lehrerin vor das Schienbein getreten."
"Oh."
"Ich glaube kein Wort davon."
"Aber, wenn die Schule es behauptet? Meinst du, dieser Schulleiter denkt sich das nur aus?"
Was für ein Waschlappen ist Ubbo doch!, dachte Rena. Immer noch der brave Schüler, der er sicherlich einst war. Wagt noch nicht einmal gegen die Schule aufzumucken, wenn seinem Kind Unrecht geschieht und es zum Sündenbock gemacht wird! Rena hatte immer zu ihren Söhnen gehalten. Egal, was sie ausgefressen hatten. Den Lehrern hatte sie prinzipiell nicht geglaubt. Die wussten doch ihre Jungs nur nicht richtig zu nehmen. Rena Sluiter galt daher in der Schule als uneinsichtig, aber das war ihr gleichgültig. Auch den vorsichtigen Hinweis, dass Kevin und Marvin die Nibelungentreue ihrer Mutter vielleicht geschickt auszunutzen wussten, ließ sie nicht gelten. Wenn jemand ihr riet, die Hilfe des schulpsychologischen Dienstes oder von Erziehungsberatungsstellen in Anspruch zu nehmen, konnte sie ziemlich laut werden.
Ursprünglich hatte Rena vorgehabt, ihrem Mann ein schlechtes Gewissen zu machen, ihm einzureden, dass er sich doch auch mal ein bisschen mehr in die Erziehung einbringen und sie zu dem Gesprächstermin mit dem Rektor begleiten könnte. Schließlich brachten andere Mütter auch ihre Männer mit, wenn es in der Schule richtig Ärger gab.
Aber dieses Vorhaben hatte Rena inzwischen ad acta gelegt.
Sie dachte an die Boutique. Und daran, dass sie Ubbo als Verbündeten gegen dessen Mutter brauchte. Und dahinter musste alles andere zurückstehen. Selbst die Treue zu ihren rüpelhaften Jungs.
"Hör mal, Ubbo, das sieht aus, als hätte dir jemand voll auf die Nase geschlagen."
"Können wir über etwas anderes reden?"
"Waren das diese Russen?"
"Ja."
"Willst du was unternehmen?"
"Was denn?"
"Aber das kann doch nicht so weitergehen."
"Wird es auch nicht."
Und dann sprudelte es aus Ubbo heraus. Er beichtete ihr alles, was sich am Morgen ereignet hatte. Auch, dass Lorant eingegriffen hatte, erwähnte er.
Rena hörte interessiert zu.
"Vielleicht könnte dieser Lorant..."
"Bist du verrückt? Ich habe ihm verboten, weiter in der Russensache herumzurühren."
"Wird er sich dran halten?"
"Weiß ich nicht, ich werde mit Ma sprechen müssen."
Oh, ja - und ich kann mir richtig vorstellen, was dabei herauskommt!, ging es Rena Sluiter durch den Kopf.
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