Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
Insel gemacht...
*
Die Stimmung in dem verräucherten Pub an der Falls Road in Belfast war mehr als ausgelassen. Die Männer saßen bierselig an der Theke und erfüllten den Raum mit lautem Stimmengewirr.
Aber da war ein hochgewachsener Mann, noch keine dreißig, der die Fröhlichkeit der anderen ganz und gar nicht zu teilen schien. Er blickte immer wieder auf die Uhr an seinem Handgelenk, so als wartete er auf jemanden.
Auf der rechten Wange hatte er eine Narbe, die von dem dünnen, rostbraunen Bart nur unzureichend bedeckt wurde. Dort kratzte er sich nervös. Dann ging plötzlich ein Ruck durch seinen Körper. Ein junger Mann hatte den Pub betreten und ließ die Augen suchend kreisen.
Der Mann mit der Narbe winkte und als der andere dann herankam, schimpfte er.
"Jack, verdammt, wo bleibst du denn!"
"Tut mir Leid, Patrick!"
"Was soll das heißen? 'Tut mir Leid!' Glaubst, ich habe ewig Zeit?"
"Ich bin aufgehalten worden."
"Was du nicht sagst! Ich dachte, du brennst drauf, endlich eine Waffe in die Hand zu bekommen und damit herumballern zu dürfen, Kleiner!" Patrick zupfte sich an seinen Barthaaren herum, während Jack ihn etwas verständnislos ansah.
Jack hob die Augenbrauen und fragte dann nach einer Weile: "Du nimmst mich nicht für voll, was?"
Patrick zuckte die Achseln. Dann klopfte er Jack auf die Schulter.
"Doch, ich nehme dich für voll. Und ich traue dir auch. Du scheinst das nicht richtig zu begreifen, aber das ist für jemanden in meiner Lage die höchste Auszeichnung, die er zu vergeben hat, Jack!" Er bewegte den Kopf ruckartig zur Seite. "Komm, gehen wir an die frische Luft, Kleiner!"
Sie gingen zusammen hinaus auf die Falls Road. Es gab durchaus touristische Schmuckstücke in Belfast. Aber die Falls Road und die umliegenden Bezirke gehörten sicher nicht dazu.
"Was liegt an?" fragte Jack. "Etwas großes?"
"Eine Hinrichtung. Es wird die erste große Sache sein, bei der du mitmachst!"
"Ich freue mich, daß ich endlich etwas tun kann! Ich sitze schon viel zu lange hier herum und drehe Däumchen!"
"Du bist zu ungeduldig, Jack! Das ist immer ein Fehler!"
"So bin ich nun mal!"
"Du mußt uns verstehen, Jack. Glaub mir, ich weiß deinen Idealismus zu schätzen. Aber die Zeiten sind hart. Die Briten versuchen ihre Leute bei uns einzuschleusen. Da muß man vorsichtig sein!"
"Verstehe..."
Jack gefiel nicht, daß Patrick ihn immer ein bißchen wie einen grünen Jungen behandelte, obwohl noch nicht einmal zehn Jahre zwischen ihnen beiden lagen.
Aber er mußte es wohl oder übel akzeptieren. Patrick war sein Verbindungsmann. Und er war froh, daß diese Verbindung überhaupt zu Stande gekommen war! Es war gar nicht so einfach gewesen, hineinzukommen...
"Wer ist es, der hingerichtet wird?" fragte Jack.
"Jemand von der anderen Seite. Jemand, der es verdient hat. Jemand, der sich als scharfer Hund gebärdet, wenn es um unsere Jungs geht, aber wenn ein Protestant auf einem Begräbnis Amok gelaufen ist, sich plötzlich in ein zahmes Lamm verwandelt!" Patricks Züge waren grimmig geworden. Seine Hände hatten sich unwillkürlich zu Fäusten geballt.
"Ein Staatsanwalt? Oder ein Richter?" versuchte Jack zu raten.
"Ein Richter."
"Wie heißt er?"
"Ich habe dir schon mehr gesagt, als ich eigentlich durfte. Du erfährst es früh genug."
"Du weißt, daß ich alles tun würde, Patrick!"
"Kannst du mit einer Waffe umgehen?"
"Zu Hause hatten wir immer Waffen. Mit der Magnum kenne ich mich ganz gut aus."
"Eine Magnum haben wir hier nicht. Bei Gelegenheit fahren wir mal ein bißchen ins Grüne, um mit der Walter PPK ein bißchen zu üben."
"Keine schlechte Idee."
Plötzlich stoppte Patrick. Er packte Jack bei den Schultern und sah ihm direkt in die Augen.
"Kannst du einen Menschen töten?"
Jack runzelte die Stirn. Was sollte die Frage? Patricks Blick schien ihn förmlich zu durchbohren. "Warum willst du das wissen?" fragte Jack, um Zeit zu gewinnen.
"Weil du dir das vorher überlegen sollst! Bevor es ernst wird. Nicht jeder ist dafür geboren. Wenn das bei dir der Fall ist, dann sag es lieber gleich. Damit nützt du der Bewegung mehr, als wenn du den Helden zu spielen versuchst und dann nicht abdrückst!"
Jack zuckte mit den Achseln.
"Es ist ja für eine gerechte Sache!" meinte er. Und Patrick nickte.
"Das stimmt."
"Dann kann ich es auch!"
Sie bogen in eine Nebenstraße ein. Patrick merkte es etwas früher und packte Jack am Arm. Aber auch da war es schon zu spät. Überall standen
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