Private Games - Der Countdown des Todes
mein normaler. Der weiße Turban, der schwarze Bart und das metallene Armband passen perfekt dazu, der indische Reisepass, die schwarzen Kontaktlinsen, die Brille, die weite Kurta-Schlafanzughose und ein Hauch Patschuli vervollständigen meine Verkleidung als Jat Singh Rajpal, einem hochgewachsenen Textilhändler aus Punjab, der den Sikhs angehört und sich glücklich schätzen darf, im Besitz einer Eintrittskarte für die Abschlussfeier zu sein.
Ich bin etwas mehr als einen halben Meter von den Bildschirmen entfernt, auf denen plötzlich mein Gesicht, mein normales Gesicht, gezeigt wird.
Zuerst werde ich von Panik erfasst, nehme mich aber rasch zusammen und werfe verstohlene Blicke auf den Bildschirm in der Hoffnung, dass dort nur eine Art Zusammenfassung der Ereignisse der Olympischen Spiele einschließlich meiner Entlassung aus dem Organisationskomitee gezeigt wird. Doch die Laufschrift unter meinem Bild und den Nachrichten verrät, dass ich in Verbindung mit den Kronos-Morden gesucht werde.
Wie ist das möglich? Viele Stimmen toben in meinem Kopf und verursachen diesen wahnsinnigen, blind machenden Kopfschmerz. Ich reiße mich zusammen, als ich auf die F7-Wachen zugehe, eine stämmige Frau und einen jungen Constable von Scotland Yard, die die Eintrittskarten und Ausweise kontrollieren.
Die Polizistin blickt mich ausdruckslos an. » Sie sind aber weit weg von zu Hause, Mr. Rajpal.«
» Wenn man bereit ist, die Reise für ein solch wunderbares Ereignis auf sich zu nehmen«, erwidere ich mit geübtem Akzent, der sich trotz des Pochens in meinem Schädel makellos anhört. Ich kämpfe dagegen an, die unter meinem Turban pulsierende Narbe zu berühren.
Die Polizistin blickt auf den Bildschirm ihres Laptops. » Haben Sie sich auch andere Veranstaltungen angesehen, Mr. Rajpal?«, fragt sie.
» Zwei. Leichtathletik am letzten Donnerstagabend und Feldhockey Anfang der Woche. Montagnachmittag. Das Spiel Indien gegen Australien. Wir haben verloren.«
Sie überfliegt den Bildschirm und nickt. » Wir müssen ihre Tasche und alle Metallgegenstände durch den Scanner laufen lassen.«
» Selbstverständlich.« Ich lege die Tasche aufs Förderband, die Pfandmarken, mein Armband und mein Mobiltelefon auf ein Tablett.
» Kein kirpan?«, fragt die Polizistin.
Ich lächle. Schlaues Mädchen. » Nein. Den traditionellen Dolch habe ich zu Hause gelassen.«
Die Polizistin nickt. » Vielen Dank dafür. Ein paar Ihrer Genossen haben versucht sie mit hineinzunehmen. Sie können jetzt weitergehen.«
Kurz darauf lassen meine Kopfschmerzen nach. Ich habe meine Tasche zurückerhalten, in der sich nur eine Kamera und eine Tube mit etwas befinden, das nach Sonnencreme aussieht. Ich eile am Eton Manor vorbei und überquere eine Fußgängerbrücke, die zum nordöstlichen Teil des Olympiaparks führt. Ich umrunde das Velodrom, die Basketballarena und das Olympische Dorf, gehe weiter im Süden am Sponsorenempfangsbereich vorbei. Dort bleibe ich kurz stehen und werde mir bewusst, dass ich wahrscheinlich viele derjenigen übersehen habe, die die olympischen Ideale in den Schmutz ziehen.
Egal. Mein Schlussakt wird das mehr als ausgleichen. Mit diesem Gedanken beschleunigt sich meine Atmung. Auch mein Herz schlägt schneller und hämmert in meiner Brust, als ich die Wachen am Fuß der Wendeltreppe betrachte, die zwischen den Beinen des Orbit nach oben führt. » Das Restaurant?«, frage ich. » Noch geöffnet?«
» Bis halb vier, Sir«, antwortet einer von ihnen. » Sie haben noch zwei Stunden.«
» Und wenn ich danach etwas essen möchte?«
» Die anderen Stände hier unten haben dann immer noch geöffnet«, erklärt er. » Nur das Restaurant schließt.«
Ich nicke und gehe die vielen Stufen hinauf, ohne die namenlosen Monster zu beachten, die mir entgegenkommen. Sie alle sind sich der Bedrohung nicht bewusst, die ich symbolisiere. Zwölf Minuten später erreiche ich die Plattform mit dem sich langsam drehenden Restaurant und gehe zur Empfangsdame.
» Rajpal«, sage ich. » Tisch für eine Person.«
Sie runzelt die Stirn. » Wären Sie bereit, einen Tisch zu teilen?«
» Es wäre mir eine große Freude«, erwidere ich.
Sie nickt. » Es dauert zehn bis fünfzehn Minuten.«
» Dürfte ich bis dahin kurz auf die Toilette gehen?«
Sie tritt zur Seite. » Selbstverständlich.«
Andere Gäste drängen hinter mir herein. Die Empfangsdame ist so beschäftigt, dass sie mich bereits vergessen hat. Wenn sie meinen Namen ruft, wird sie
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