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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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streckte sich, ein helles, triumphierendes Wiehern durchschnitt die eisige Luft … und dann war schon der Waldrand da, die Bäume, die jetzt wie Zähne einer Säge wirkten, und das Pferd raste auf sie zu in ungehemmter Siegessicherheit.
    Dr. Linden zögerte nicht mehr. Er wußte, daß ›Oberon‹ ihn an den Bäumen abstreifen wollte, daß seine Beine aufgerissen, daß die Knochen an den vereisten Stämmen zerspringen würden. Als Krüppel würde man ihn nach Schloß Bornfeld zurücktragen, für immer gezeichnet.
    Kurz vor dem Zusammenprall mit den Stämmen stieß sich Linden ab und ließ sich nach hinten aus dem Sattel fallen. Er rollte in den Schnee, überschlug sich zweimal und blieb dann auf den Knien liegen.
    Das Pferd raste zwischen zwei Stämmen hindurch. Der Zwischenraum war gerade breit genug, daß der schwarze Körper hindurchschießen konnte. Die Beine eines Reiters wären zu beiden Seiten zerschmettert worden, schon jetzt streifte die Rinde das Fell und riß das Oberleder von den Sattelseiten.
    Dr. Linden erhob sich und ging langsam in den Wald hinein. ›Oberon‹ stand prustend und schwitzend zwischen den Birken, hatte den Kopf erhoben und stampfte in den Schnee. Er stieß ein heiseres Wiehern aus, als er Linden sah, tänzelte um einen dicken Stamm herum und senkte den Kopf wie ein angreifender Stier.
    »Das ist der Vorteil der Intelligenz, mein Lieber«, sagte Linden und blieb in zwei Meter Entfernung von ›Oberon‹ stehen. »Du bist ein kluges Tier, und einer von uns beiden wird auf der Strecke bleiben, da gibt es gar keine billigen Illusionen. Versuchen wir's noch einmal?« Mit hartem Griff faßte er wieder die Zügel. Zitternd stand ›Oberon‹ an einer Birke und rieb den Kopf an der eisigen Rinde. Wieder rührte er sich nicht, als Linden sich in den Sattel schwang und ihm auf den Hals klopfte.
    »Wollen wir noch einmal, Satansaas?« sagte er dabei. »Was denkst du dir jetzt wieder aus! Hinfallen lassen? Ist ein alter Trick, mein Lieber. Alles andere aber ist vergeudete Zeit. Ich bleibe auf dir. Wäre es nicht besser, wir verstünden uns?«
    Das Duell zwischen Pferd und Mensch verlief nun in der Stille. Gehorsam ging ›Oberon‹ aus dem Wald, wie es Dr. Linden ihm durch Schenkeldruck befahl. Ebenso gehorsam trabte er an und lief auf die Heide zu. Aber dann zeigte es sich, daß dieser Gehorsam eine Falle sein sollte. Statt nach links, wie Linden befahl, drehte sich ›Oberon‹ nach rechts, statt zu halten, trabte er weiter. Schließlich galoppierte er im Kreis, in weiten Bögen, durch Büsche und über Gräben hinweg. Er gehorchte keinem Schenkeldruck, keinem Zügelzug, keinem Zuruf. Er tat, was er wollte, er demonstrierte seine Kraft.
    Dr. Linden lachte hell. Er beugte sich vor und tätschelte den schwitzenden Hals des Pferdes. »Nur zu!« rief er in die spielenden Ohren. »Lauf, mein Teufelchen, lauf! Du wirst müde, nicht ich! Rackere dich ab, wirf deine Kraft weg! Lauf nur! Lauf!«
    Nach einer vollen Stunde blieb ›Oberon‹ schnaufend stehen. Seine Beine zitterten. Wie schwankend versuchte er noch ein paar Schritte, senkte dann den Kopf und leckte Schnee vom Gras. Dr. Linden sprang ab und dehnte sich. Auch seine Beine zitterten, die Innenseiten der Schenkel waren wund, bei jedem Schritt scheuerte der Hosenstoff gegen offenes Fleisch. Staksig ging er ein paar Meter hin und her, lehnte sich dann an den dampfenden Pferdekörper und drückte das Gesicht gegen den Sattel. »Machen wir weiter, du Höllengeburt«, sagte er keuchend. »Du oder ich! Entweder ich bleibe hier liegen oder ich reite auf dir in Schloß Bornfeld ein. Es gibt keinen Pardon!«
    Ächzend zog er sich erneut in den Sattel, biß die Zähne zusammen, als seine brennenden Schenkel wieder mit dem harten Leder in Berührung kamen, riß die Zügel hoch und zog ›Oberons‹ Kopf heran. Das Pferd gehorchte. In müdem Schritt ging es dahin, wohin sein Reiter wollte. Er schlurfte durch den hohen Schnee wie ein Betrunkener. Der schweißige Körper dampfte in der Kälte, wie eine wandelnde Nebelschwade sahen Roß und Reiter aus.
    »So ist es gut, mein Liebling«, sagte Dr. Linden glücklich und hielt sich müde am Sattelknauf fest. »So verstehen wir uns. Wir werden dicke Freunde sein …«
    Den Ausritt Dr. Lindens hatte Brauereibesitzer Hoppnatz zu einem Spaziergang benutzt. Während die anderen auf einer Art Terrasse lagen, eingewickelt in Decken, und die frische Schneeluft inhalierten, stampfte er in hohen Stiefeln durch den Park

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