Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zu Kaul. »Meine Söhne haben mich hierhergebracht. Ich habe zwei Bierbrauereien und drei Destillationen. Ich bitte Sie – jeder Beruf hat sein Berufsrisiko. Als Metzger esse ich Fleisch, als Bäcker Brötchen. Ich glaube auch nicht, daß ein Schreiner seine Fenster von einem Schuhmacher begutachten läßt! Und ich probierte eben meine Erzeugnisse. Ist es meine Schuld, daß ich nach vier Gläschen fröhlich werde?«
    »Ihr Körper ist bereits so an Alkohol gewöhnt, daß schon eine geringe Menge genügt, um …«
    »Ich weiß, ich weiß.« Hoppnatz winkte ab. »Der Bergarbeiter hat seine Staublunge, ich habe meine Schnapsleber. Jedem das seine!« Er beugte sich wieder zum Ohr Kauls. »Solange ich hier bin, stelle ich den reuigen Sünder dar. Eine schwierige Rolle, man wächst langsam hinein. Ich soll in zwei Monaten entlassen werden. Ich habe es gehört, als mein ältester Sohn mit Diakon Weigel sprach.« Hoppnatz blinzelte zufrieden. »So lange halte ich noch durch.«
    »Und dann?« fragte Kaul erschüttert.
    »Man wird vorsichtig sein müssen. Immer Haltung, mein Lieber! Ein paar Gläschen, bis man spürt: Jetzt hast du die Englein in dir – und dann Schluß. Kreuz hohl, Brust raus, Kopf gerade. Niemand merkt es. Wissen Sie, man braucht ja nicht viel, um innerlich glücklich zu sein …«
    Während des Vortrags kam auch Dr. Linden zurück. Er stellte sich ganz hinten in der Jagdhalle in die Dunkelheit. Niemand beachtete ihn. Auch Diakon Weigel, der wohl gesehen hatte, daß Linden hereinkam, sah ihn nicht an.
    Auf Schloß Bornfeld gab es keine Therapie mit Verekelungsmitteln. Nur die ganz Unruhigen bekamen eine Schlafinjektion. Alles andere mußte der Mensch aus sich heraus finden. Es wurde ihm überlassen, die eigene Stärke wiederzuentdecken. Wer sich selbst bezwingen konnte, war geheilt. Das Trinkerproblem ist ein seelisches Problem. Alles andere ist eine therapeutische Illusion.
    Die Anonymen Alkoholiker waren abgereist. Es hatte sich gezeigt, was Direktor Bonnemann schon vorher zu Peter Kaul gesagt hatte: Es ist leichter, in einer Versammlung betrunkener Bettler zu sprechen als vor der trinkenden Intelligenz. Erzählungen aus dem Elend eines Trinkerlebens wurden angehört wie fromme Märchen. Hinter den Alkoholikern der vornehmen privaten Heilanstalten standen die Bankkonten ihres erfolgreichen Lebens. Auch die Insassen von Schloß Bornfeld bildeten da keine Ausnahme. Was man ihnen aus der Tiefe des menschlichen Verfalls berichtete, berührte sie nicht. Sie konnten nie so tief fallen. Sie hatten Geld genug, um immer noch ein Bett zu finden, in dem man sich vollaufen lassen konnte. Die Ausnahme Dr. Linden, der in Kellern, Bunkern und Hurenzimmern gewohnt hatte, wurde deshalb auch weidlich bestaunt und diskutiert. Landgerichtsdirektor Dr. von Hammerfels hatte dafür eine Erklärung: »Das Milieu stimmte nicht! Unser Freund Linden hatte nicht die sogenannte Nestwärme. Er ist erfolgreich, er ist reich, er lebt mit genialer Unbekümmertheit … aber ihm fehlt das Fundament. Er ist wie ein Luftballon, dem plötzlich das Gas entweicht. Er fällt und fällt und landet irgendwo. In der Gosse, bei Dirnen, im Bunker. Ein tragischer Fall, meine Herren. Wir sollten uns um ihn kümmern.«
    Nach diesem Vortrag bekam Prof. Heitzner wieder eine Injektion, denn er roch wieder aus den Poren ausgeschwitzten Alkohol.
    Nicht am nächsten Morgen, sondern einen Tag später machte Dr. Linden sein Versprechen wahr. Er sattelte den Wallach ›Oberon‹.
    Da der Stallmeister zugegen war, wehrte sich ›Oberon‹ nicht gegen das Anlegen des Sattels. Nur seine Ohren spielten, die Nüstern bebten und zogen sich ab und zu hoch, gaben das starke Gebiß frei, krachende, malmende Zähne, die mit der Kandare kämpften.
    Diakon Weigel kam in den Stall und klopfte ›Oberon‹ den starken Hals. »Er ist heute besonders unruhig«, sagte er, ohne dabei Dr. Linden anzusehen. »Seit vier Monaten ist er nicht mehr geritten worden. Zwar hat man ihn gesattelt, aber dann ist er an der Longe durch die Bahn getrabt, ohne Reiter. Der letzte, der auf ihm saß, war ein Herr Zoltitz, ein Bankdirektor. Vierzehnmal warf ›Oberon‹ ihn ab … beim fünfzehntenmal siegte Zoltitz. Heute leitet Herr Zoltitz wieder seine Bank.«
    Dr. Linden schwieg. Aber er verstand den Diakon. Er bückte sich und schnallte die Sporen wieder ab. Diakon Weigel hob die Augenbrauen vor Verwunderung.
    »Sie reiten heute nicht?«
    »Doch. Aber ohne diese Dinger da.«
    »›Oberon‹

Weitere Kostenlose Bücher