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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ohne Sporen? Er wird Sie nie als seinen Herrn anerkennen.«
    »Herr Zoltitz hatte Sporen?« fragte Linden trocken.
    »Natürlich.«
    »Es gehört nicht viel eigener Wille dazu, durch Schmerzen Gehorsam zu erzwingen!« Linden trat neben ›Oberon‹ und faßte ihn an der Trense. »Komm, mein Liebling, wir werden Freunde werden, nicht Sieger und Besiegter.«
    »Was Sie machen, ist eine Übersteigerung Ihrer Möglichkeiten.« Diakon Weigel stellte sich Dr. Linden in den Weg. »Ich bin für Sie verantwortlich, Doktor! Gut, unsere Therapie ist psychologisch, aber nur insoweit anwendbar, als sie keine körperliche Schäden erzeugt. Was Sie vorhaben, Doktor, läuft aber auf eine Schädigung Ihres Körpers hinaus. ›Oberon‹ wird mit Ihnen umspringen wie mit einem Ball! Ich kann das nicht zulassen!«
    »Sie haben mir das Reiten empfohlen, Herr Diakon.«
    »Aber doch nicht ohne Sporen!«
    »Die Methoden sind verschieden.« Dr. Linden hielt den Kopf des Pferdes nieder. Er brauchte alle seine Kraft, um ›Oberons‹ Willen zu bezwingen. Oh, wir werden prächtig miteinander auskommen, du starkes Pferd, dachte er. Wie Gladiatoren werden wir sein, uns gegenseitig belauern, auf die Sekunde der Schwäche warten und dann zuschlagen. Wie sagen die Araber? Aus der Sonne wurde ein Pferd geboren! Oder so ähnlich! Du bist nicht aus der Sonne geboren, mein starker Schwarzer. Du bist aus Höllenglut! Aber ich habe keine Angst!
    »Bitte, gehen Sie aus dem Weg, Herr Diakon …«, sagte Dr. Linden mild. »Es sind meine eigenen Knochen, die ich zu Markt trage. Ich entbinde Sie von aller Verantwortung.«
    Diakon Weigel trat zur Seite und ließ Linden und das Pferd an sich vorbei aus dem Stall. Der Stallmeister stand in der leeren Box und hatte große, ängstliche Augen. Er scharrte mit den Stiefelspitzen im zermalmten Stroh und wischte sich mehrmals über die Stirn.
    »Ich habe ihn auch gewarnt, Herr Diakon«, sagte er, als müsse er für sich eine Entschuldigung finden. »Und wissen Sie, was er gesagt hat? ›Entweder Oberon – oder eine Flasche Schnaps! Was ist Ihnen lieber?‹ Da habe ich nichts mehr gesagt.«
    »Es ist gut.« Diakon Weigel trat hinaus. Dr. Linden führte ›Oberon‹ am Halfter neben sich her aus dem Hof. Ruhig, wie ein braver, müder Gaul, ging das Pferd mit ihm. Der Schnee knirschte unter ihnen, feine, zerstäubende Atemwolken schwebten aus den Nüstern in die kalte Luft. Warum sitzt er nicht auf, dachte Weigel. Warum geht er mit ›Oberon‹ spazieren?
    Dr. Linden ging über eine Viertelstunde neben dem Pferd her. Sie hatten den Schloßbereich verlassen und näherten sich dem Birkenwald und den verträumten Wacholderbüschen. Hinter ihnen lag der zugefrorene Teich, vor ihnen dehnte sich eine heideähnliche Landschaft. Der Himmel war wolkenlos.
    Am Waldrand blieb Dr. Linden stehen. Tier und Mensch blickten sich an. Die Gladiatoren standen sich gegenüber.
    »Jetzt werde ich dich reiten!« sagte Dr. Linden laut. Er löste die Steigbügel aus den Sattelhalterungen, hob das Bein, steckte einen Fuß in den Bügel und griff an den Sattelknauf. Aber er schwang sich nicht auf, er wartete, blinzelte zu ›Oberon‹ und war bereit, sofort zurückzuspringen, wenn das Pferd sich aufbäumte oder zur Seite wich. Aber ›Oberon‹ blieb stehen. Seine Ohren wedelten, die Nüstern schoben sich hoch, die Zähne blinkten.
    Er lacht, dachte Dr. Linden. Der Satan lacht.
    Mit einem Satz war er im Sattel, preßte die Schenkel zusammen, fuhr mit dem anderen Fuß in den Steigbügel, saß fest und zog im gleichen Augenblick die Zügel an.
    Es war verwunderlich, daß das Pferd sich nicht aufbäumte, keinen Buckel machte, nicht mit allen vieren in die Luft sprang, sich nicht so benahm, wie es jeder von ihm erwartet hätte. Es blieb stehen wie ein Standbild, unbeweglich, nur in den Flanken zitterte es, als wolle es beweisen, daß es noch lebte. Dann aber, plötzlich, setzte es zum Galopp an, aus dem Stand heraus schoß es vorwärts, auf den Wald zu, auf die dicken Birkenstämme, die eng zusammengerückt mit borkigen Rinden wie eine riesige Reibe wirkten.
    Dr. Linden begriff sofort die Absicht ›Oberons‹. Er zog mit aller Kraft an den Zügeln, er zwang die Kandarenstange in das Maul, daß jedes andere Pferd zitternd den Widerstand aufgegeben hätte … bei ›Oberon‹ war es, als sei alle menschliche Kraft nur ein Popanz. Ein Ruck mit dem Kopf, in vollem Lauf, die Zügel wurden aus Lindens Händen gerissen, der Schädel des Pferdes hob sich,

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