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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Mund.
    »Den möcht ich jerne streicheln«, sagte er leise.
    »Leg dich hin, olle Sau!«
    Der andere grunzte und warf sich auf den Rücken. »Wat verstehste schon davon! In Berlin, Junge, da hatten wir 'nen Klub, da kamste nur rein, wennste dir die Hose auszogst …«
    »Halt's Maul und schlaf!«
    Im Flur der Aufnahme stand Susanne Kaul und weinte. Der junge Arzt war ungeduldig und dementsprechend barsch.
    »Kommen Sie morgen wieder!« sagte er. »Jetzt schläft er erst mal und ist in Sicherheit! Was wollen Sie denn jetzt von ihm?«
    »Ich … ich will ihn mitnehmen …«
    Der Arzt sah Susanne Kaul an, als habe sie laut gerülpst.
    »Mitnehmen?« wiederholte er. »Aber wieso denn?«
    »Er ist doch mein Mann …«
    »Na und?«
    »Er gehört doch nach Hause!«
    »Er gehört hierher, liebe Frau! Er ist von der Polizei eingewiesen und bleibt hier, bis man über ihn befunden hat. Schließlich wollte er sich entleiben!«
    Susanne Kaul schwankte und lehnte sich gegen die getünchte Flurwand. Bis man befunden hat … kreiste es durch ihren Kopf. Sich selbst entleiben … Mein Gott, er ist doch Peter, mein Mann! Der Vater seiner und meiner Kinder. Was soll er denn hier, in einer Irrenanstalt? Er war doch nur verzweifelt, nichts als verzweifelt … Er ist doch kein Verrückter …
    »Kann ich ihn nicht mitnehmen?« fragte sie noch einmal mit aller Kläglichkeit. Der junge Arzt rückte an seinem Schlips. Immer diese Auftritte mit den Verwandten, dachte er. Sie sollen doch froh sein, daß wir ihnen die Verantwortung abnehmen!
    »Auf gar keinen Fall!« sagte er laut und grob. »Und nun gehen Sie. Besuchszeit morgen von fünfzehn bis siebzehn Uhr! Wenn es der Krankheitszustand zuläßt! Gute Nacht!«
    Er wandte sich ab und verschwand in seinem Wachzimmer.
    Susanne Kaul stand allein in dem hell erleuchteten Flur und tupfte sich die Tränen von den Augen.
    Ich hätte es nicht sagen dürfen, dachte sie. Das mit der Gundi, das hatte noch Zeit. Aber ich war so verzweifelt, und ich haßte ihn in diesem Augenblick wie nichts auf der Welt. Ich wollte ihn treffen, ich wollte ihn innerlich zerreißen … Und nun ist er hier … irgendwo in dem Riesenbau in einem Zimmer ohne Klinken und mit vergitterten Fenstern. Verzeih, Peter, verzeih.
    Morgen bist du wieder bei uns. Bei Petra, Heinz, Gundi und bei mir. Und wir wollen uns zusammensetzen und gemeinsam überlegen, wie das Leben weitergehen soll. Besser und schöner. Peter … wir lieben uns doch …
    Es war eine wunderschöne Illusion, aber sie war stark genug, daß sie Susanne Kaul nach Hause führte und sie verhältnismäßig ruhig schlafen ließ.
    Der Tag begann morgens um halb sieben.
    Zuerst kam der Pfleger ins Zimmer, schrie: »Aufstehen!« und verteilte Fieberthermometer an die, die sie nicht an die Wand warfen oder das Quecksilber auffraßen, um so eine leichte Vergiftung zu bekommen.
    Auch Peter Kaul wurde hochgeschreckt, warf die Beine aus dem Bett und sah sich verständnislos um. Er sah um sich herum elf Jammergestalten, drei standen vor den Betten und urinierten in ihre Nachttöpfe, er sah einen wehenden weißen Kittel, der schon wieder das Zimmer verließ, und hörte nebenan wieder die laute Stimme: »Aufstehen!« Dann erst merkte er, daß er nackt war. Er riß die Decke an sich und bedeckte sich damit. Aus dem Nebenbett lachte es meckernd.
    »Na, na«, sagte sein Nachbar. »Det, wat du vasteckst, hab'n wir alle! Oder biste 'ne Jungfrau?«
    Peter Kaul stand von seinem Bett auf und wickelte sich in die Decke. Auf bloßen Füßen tappte er zur Tür, trat hinaus in den Gang und prallte dort auf den Krankenpfleger, der aus dem Nebenzimmer kam. Er war ein großer, kräftiger Mensch mit einem eckigen Boxerkinn, tiefliegenden Augen und dichten Brauen.
    »Ich habe eine Frage«, begann Peter Kaul höflich. Er preßte die Decke um seinen nackten Körper und fror von den Fußsohlen aufwärts, denn der Linoleumboden war noch nachtkalt.
    »Schnauze! Ins Zimmer!« brüllte der Pfleger.
    »Wo bin ich hier?« fragte Kaul unbeirrt.
    »Bei Tante Selma! Schwirr ab!«
    »Hier muß ein Irrtum vorliegen.«
    Der Pfleger musterte die Gestalt in der Decke. Aha, der Neue, dachte er. Gestern nacht eingeliefert von der Polizei. Bericht liegt auf Station. Selbstmörder in Volltrunkenheit. Springt nackt durch die Gegend. Ein sauberer Bursche.
    »Hör mal zu, mein Süßer!« Der Pfleger ergriff Peter Kaul an der Decke und zog ihn wie einen nassen Hund zu sich heran. »Du bist hier bei mir. Ich heiße

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