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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist. Was wir mit allen verfügbaren Mitteln der Allopathie und Homöopathie nicht erreichen können, wollen diese Herren durch Vorträge erwirken! Durch seelische Berieselung. Durch das Beispiel der eigenen Person.« Prof. Brosius räusperte sich. »Nach langer Überlegung habe ich mich bereit erklärt, nachher drei dieser Herren der AA, wie sie sich nennen, zu einem Vortrag zu empfangen. Da sie nichts verderben können, denn sie reden bloß, ist es gefahrlos für unsere Patienten.« Brosius' Gesicht verklärte sich in einem fetten Lächeln. »Wir werden gleich erleben, meine Herren, wie man auf Station drei unsere lieben Wermutbrüder psychologisch bearbeiten wird.« Er beugte sich über einige Notizen und einen Packen Drucksachen, die er vor sich auf dem Schreibtisch liegen hatte. »Um Sie in großen Zügen zu informieren, meine Herren: Die Vereinigung der geheilten Trinker, die ihren Sitz in New York hat, Nummer 141 der 44. Straße, zweiter Stock, wurde von einem Mr. Bill W., sein Name ist anonym für die Öffentlichkeit, 1935 gegründet. Damals war er, so erzählt man, selbst einer der größten Trunkenbolde auf der Bowery, der Säuferstraße New Yorks. Heute ist er wohlhabend, in der ganzen Welt hat er dreihunderttausend Anhänger, es gibt kein Land ohne Angehörige der AA … und nun ist Deutschland dran!« Der letzte Satz klang sarkastisch und spiegelte wider, wie Brosius über die geheilten und nun selbst heilenden Alkoholiker dachte.
    Die Oberärzte grinsten. Das waren sie ihrem Chef schuldig. Aber in ihren Augen lagen Wachsamkeit und Interesse. Dreihunderttausend geheilte Trinker durch Überredung und Hilfe von außen … was hat die Medizin dem entgegenzusetzen! Aus den Entziehungsanstalten werden die Trinker als gebessert entlassen, nach vier, sechs, neun Monaten, manchmal auch erst nach einem Jahr. Man ist vorsichtig und nennt sie nicht ›geheilt‹. Man hat dafür das Gummiwort ›gebessert‹. Und die Erfahrung bestätigte, daß die gleichen gebesserten Trinker in Intervallen wiederkamen, zweimal, dreimal, später als Dauergast, wenn ihre Hirnzellen zerstört waren. Nur wenige echte Trinker fanden den Weg zurück ins Leben. Eine Handvoll! Die Zahl von dreihunderttausend Geheilten war dagegen beklemmend. Prof. Brosius schien es zu spüren. Er winkte lässig ab.
    »Warten wir es ab, meine Herren!« sagte er ironisch. »Ich habe Zimmer siebzig als Experimentpatienten ausgewählt. Wenn davon einer überläuft zu Wasser, werde ich Prediger der AA!«
    Eine halbe Stunde später betraten drei unscheinbare, aber gut gekleidete Männer das Zimmer siebzig. Judo-Fritze hatte die Station III auf Hochglanz gebracht. Das Zimmer war geschrubbt, der Tisch blank gescheuert, die elf Patienten hatten Kaffee vor sich stehen, diesmal nicht in Blechtassen, sondern in bunten Kunststofftassen. Die Betten waren gemacht, die Decken gefaltet, eine Stunde lang war gelüftet worden, und Judo-Fritze hatte gedroht: »Wenn in den nächsten zwei Stunden jemand von euch die Luft verpestet, den stecke ich in Dunkelhaft! Verstanden!« Dann hatte er dem Berliner, dem Homosexuellen, eine Ohrfeige verabreicht, weil dieser an die Kante des gescheuerten Tisches zwei Popel klebte, hatte noch einmal ermahnt, sich anständig zu benehmen, und so saßen denn auch die elf wie die Nachsitzschüler um den Tisch, als die drei Herren eintraten und freudig grüßten:
    »Gott mit euch, Freunde!«
    Der Anfang war schon Mist, dachte Judo-Fritze. Der Name Gott wirkt auf die Brüder dort am Tisch wie Salzsäure.
    Prof. Brosius und die beiden Oberärzte traten ein. Die elf Säufer sprangen auf, nahmen Haltung an und sangen im Chor:
    »Guten Tag, Herr Professor!«
    Brosius nickte und winkte. »Setzen, bitte.«
    Stühlescharren. Gemurmel. Tassenklappern. Die Augen der elf Trinker blickten erwartungsvoll zu einem Tisch, der einen Meter von ihnen entfernt stand. Dort setzten sich die drei Herren hin, aber dann erhoben sie sich wieder, einzeln, hintereinander wie Stehaufmännchen, die sagten etwas, was die elf maßlos verblüffte:
    »Ich heiße Ewald B. und bin Alkoholiker.«
    »Ich heiße Ludwig M. und bin Alkoholiker.«
    »Ich heiße Hans S. und bin Alkoholiker.«
    Ein kleiner, spindeldürrer Mann mit den Augen einer Angorakatze schneuzte sich. Es war der ehemalige Rechtsanwalt Dr. Faßbender, der Peter Kaul damals auf Zimmer siebzig seine Hilfe angeboten hatte.
    Brosius schielte zu seinen Oberärzten. Was sage ich? hieß dieser Blick. Sie machen sich

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