Privatklinik
glücklich sein.«
»Wunschlos glücklich?«
»Ja. Du wirst die Welt vergessen …«
Dr. Linden drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zur Oberschwester und der Ärztin am Hauseingang. Als sie ihn kommen sahen, winkten sie ihm zu, und die Ärztin kam ihm mit schnellen, aufgeregten Schritten entgegen.
»Denken Sie sich, Herr Kollege«, rief sie schon von weitem, »welcher Skandal! Die Patientin von Putthausen ist schwanger!«
Dr. Linden blieb der Herzschlag stehen. Vorbei, dachte er. Endgültig vorbei.
»Das ist ja unerhört«, hörte er sich mit schwerer Zunge sagen. »Hier in der Anstalt passiert?«
»Ja. Noch weiß es der Chef nicht! Wir sind alle wie betäubt …«
»Und wer … wer ist der Vater …?«
Die Ärztin ballte die Fäuste. »Das wissen wir nicht. Sie schweigt darüber! Aber ich bekomme es heraus, verlassen Sie sich darauf, lieber Herr Kollege! Ich bringe sie zum Sprechen! Und wenn ich zu unerlaubten Mitteln greifen muß und ihr enthemmende Mittel injiziere! Diese Ungeheuerlichkeit muß aufgeklärt werden!«
Dr. Linden nickte schwach.
Sein Wettlauf mit der Zeit begann. Es war Selbstaufgabe, jetzt noch Skrupel zu haben. Er mußte handeln.
6
Frauen haben eine besondere Gabe, hinterhältig und mokant zu lächeln. Zu Meisterschaften bringen es darin Sekretärinnen großer Männer, es gehört zu ihrem Fluidum, das sie ausströmen, selbstsicher und überlegen zu sein. So sah auch Prof. Dr. Brosius erstaunt von seiner Wochenzeitschrift ›Psychiatrische Rundschau‹ auf, als Fräulein Bänkel, seine Erste Sekretärin, nach kurzem Anklopfen eintrat und sagte: »Herr Doktor Linden möchte den Herrn Professor sprechen. Es sei dringend, sagte der Herr Dozent. Soll ich … oder soll ich nicht?«
Dabei lächelte sie das mokanteste Lächeln, das Brosius seit Jahren bemerkt hatte.
»Natürlich sollen Sie, Bänkel!« sagte er ungehalten. Dabei blickte er auf die goldene Barockuhr auf seinem Schreibtisch und tippte mit dem Bleistift gegen das Glas. »Nach einer halben Stunde muß ich zu einer Konferenz …«
»Ich verstehe, Herr Professor.«
Brosius hatte nur wenige Sekunden Zeit, darüber nachzugrübeln, was Dr. Linden bei ihm wollte. Es konnte nur fachlicher Natur sein, etwas anderes verband sie ja nicht miteinander. Wenn Linden seine Jagdgesellschaften abhielt, machte Brosius ein Reiterfest, gab Linden einen Tennisabend, veranstaltete Brosius ein Burschenschaftstreffen. So waren die Akademiker ihres Bekanntenkreises immer auf Tour und konnten Vergleiche anstellen zwischen dem modernen Linden und dem traditionsgebundenen Brosius. Nur einmal waren sie zusammen auf einem gemeinsamen Fest: beim Opernball. Da hatte Brosius notgedrungen mit Frau Brigitte Linden tanzen müssen und den Satz eingehandelt: »Man merkt, Herr Professor, daß Sie ein alter Kavallerist sind!« Bis heute wußte Brosius noch nicht, ob es ein großes Lob oder eine grobe Beleidigung gewesen war.
Als Dr. Linden mit schnellen, forschen Schritten eintrat, erhob sich Brosius und kam ihm wohlwollend mit ausgestreckten Händen entgegen. »Guten Tag, Herr Kollege, guten Tag!« rief er. Da Linden nicht ein bei ihm angestellter Arzt war, konnte er sich diese Freundlichkeit leisten. Ansonsten war Linden als Dozent rangmäßig unter ihm, was einen bestimmten Abstand rechtfertigte. »Was führt Sie zu mir?« Aber bevor Linden antworten konnte, wedelte Brosius mit der Hand und lächelte verschmitzt. »Um es gemütlicher zu machen, Herr Kollege … trinken wir einen Cognac?«
»In einer Trinkerheilanstalt?« lachte Linden fröhlich. Seine Augen glänzten wie immer. Er fühlte sich frisch und stark. Bevor er sich bei Brosius melden ließ, hatte er sich in der Toilette eingeschlossen, eine halbe Taschenflasche leer getrunken und den Mundgeruch mit zwei Tabletten Chlorophyll bekämpft.
»Ein Gläschen in Ehren …«, lachte Brosius zurück. »Der Umgang mit notorischen Säufern macht es uns leicht, den Alkohol zu lieben, weil wir die Grenzen kennen. Sie mögen doch Cognac, Herr Kollege?«
»Natürlich, Herr Professor.«
Sie tranken erst zwei Gläser, rauchten eine Zigarre an und bestätigten ihre gemeinsamen Ansichten über das saumäßige Wetter der letzten Tage, ehe sie zum wahren Thema kamen. Brosius, randvoll von angestauter Neugier, gab das Stichwort.
»Na, Herr Kollege, Kummer auf der Seele?«
»Kummer? Nein!« Dr. Linden sah in sein Cognacglas. Diese beiden Gläser haben mir gefehlt, dachte er. Ich fühle mich stark wie Priapos,
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