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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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riesiges Schwein doch der Mensch sei.
    Am Sonntag, wenn Susanne mit den Kindern kam, war er wieder fröhlich und wie kerngesund, ging mit ihnen im Garten spazieren, spielte mit Petra und Heinz Federball auf der Klinikwiese, schob die immer lächelnde Gundula im Wagen rund um die Blumenbeete und erzählte Susanne, was er alles unternehmen wollte, wenn er wieder ins tägliche Leben entlassen würde.
    Sie wußten beide, daß dies nicht so bald sein würde, nicht, solange die Alkohollustintervalle anhielten. Freigelassen, würde sich Kaul an diesen Tagen wieder sinnlos betrinken, und es hätte sich nichts geändert. Erst wenn die treibende Kraft zum Alkohol gebrochen war, konnte man daran denken, den Versuch zu wagen, ihn nach Hause zu entlassen. Wohlgemerkt – es würde ein Versuch sein. Beim ersten Trunkensein würde man ihn wieder abholen, und die Wochen oder Monate, die er bereits in der Anstalt verbracht hatte, würden sinnlos geworden sein … denn nun stand er wieder am Beginn der Behandlung. Das ist das Schreckliche bei einem Trinker: Jeder Rückfall löscht alles Zurückliegende restlos aus. Heilungsmäßig fällt er zurück in die Stunde Null.
    Es klopfte.
    Kaul hob den Kopf und legte den Löffel, mit dem er den Pudding aß, neben den Teller. Judo-Fritze kam herein wie ein Weihnachtsmann, der goldene Berge zum Geschenk bringt.
    »Besuch, mein Lieber!« rief er mit seiner dröhnenden Stimme. »Nicht Schneewittchen mit den sieben Zwergen, aber Frida mit den fünf Nachwüchslingen …«
    Peter Kaul sah schnell zu Susanne, sie blickte weg. Er sah zurück zu Judo-Fritze, der grinste dumm. Also ein abgesprochener Besuch, durchfuhr es Kaul. Susanne weiß davon. Eine Überraschung. Wer ist Frida mit den fünf Nachwüchslingen?
    Fünf? Wo war die Fünf in seinem Leben?
    Und plötzlich ahnte er es, wußte er es … er sprang auf, der Stuhl fiel polternd um, er umklammerte den Tisch und streckte den Kopf vor wie eine zischende Schlange.
    »Nein!« brüllte er. »Nein! Das nicht! Woher wißt ihr das? Wer hat euch das verraten? Hat Bollanz gesprochen?« Er schwankte. Susanne sprang hinzu, um ihn zu stützen, aber er stieß sie weg, schlug nach ihrer Hand und taumelte gegen die Wand. »Alle habt ihr mich verraten! Alle! Auch du! Meine Frau! Ihr wollt mich fertigmachen, ihr wartet nur darauf, daß ich völlig verrückt werde! Gehirnschlag und weg … ein Fresser weniger! Und du kannst wieder heiraten! Einen, der nicht säuft, der dir die Lohntüte voll auf den Tisch legt. Der dir noch zwei oder drei Kinder macht, aber die sind nicht mehr blöde, keine Säuferkinder, sondern gesund wie Forellen im Gebirgsbach. Das wollt ihr! Ich sterbe euch zu langsam! Ich habe ein zu starkes Herz! Eine zu robuste Natur! Warum krepiert er nicht, das versoffene Schwein? Man muß da nachhelfen, aber human, immer human natürlich. Man holt die Schatten aus der Hölle, man zerrt ihn durch den Dreck seiner Schuld … einmal muß er doch überschnappen, einmal muß es doch gelingen, auf anständige Art Witwe zu werden, von allen bemitleidet, getröstet und unterstützt. Die arme Susanne! Oh, dieses vom Schicksal geschlagene Mädchen. Killekille! Soll man sie schaukeln wie ein Püppchen …?« Judo-Fritze hatte ihn so lange brüllen lassen, bis er Atem schöpfen mußte. Er machte jetzt drei große Schritte in das Zimmer, nahm Kaul wie einen Hasen am Kragen, trug ihn zum Bett und ließ ihn dort niederfallen.
    »Halt's Maul, du Spinner!« sagte er grob. »Und hör dir an, was los ist.« Kaul sah zu seiner Frau. Susanne stand am Tisch, starr und weiß wie eine Statue aus Gips. Petra und Heinz hatten sich in der Ecke des Zimmers zusammengedrückt, die Köpfe zwischen die Schultern gezogen, als peitsche sie jemand aus. Gundula lag in ihrem Wagen und spielte mit den bunten Klötzchen. Sie brabbelte und lachte ab und zu in ihrer Blödheit.
    »Kommen Sie 'rein!« sagte Judo-Fritze an der Tür. »Und keine Angst – ich bin ja auch da!«
    Frida Milbach betrat das Zimmer. Vor sich her schob sie ihre fünf Kinder. Judo-Fritze schloß die Tür. Mit einem langen Blick umfaßte Peter Kaul die Gruppe … die fünf Kinder, mit angstvollen Gesichtern, sich an den Händen haltend wie eine Kette aus Leibern, die die Mutter schützen soll. Dahinter Frida Milbach, groß, stämmig, gesund, mit einem fahlen Lächeln auf den Lippen. Ein Bild des Lebens, über das plötzlich vor den Augen Kauls ein schwarzer Schleier wehte, ein Trauerflor. Er schloß die Augen, warf sich

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