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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herum und drückte das Gesicht in das Kissen. Was er in die Federn hineinschrie, verstand man nicht, aber sein Körper zuckte und seine Finger gruben sich in die Matratze.
    »Herr Kaul …«, sagte Frida Milbach laut.
    Peter Kaul rührte sich nicht. Aber das Zucken ließ nach … er schien zu hören, was die Frauenstimme sagte.
    »Ich bin gekommen, um einen Irrtum aufzuklären.« Frida Milbach legte die Hände auf die Schultern der beiden kleinen Mädchen vor sich. »Mit allen Kindern bin ich gekommen, damit auch sie kein falsches Bild bekommen. Wir haben unseren Papi verloren, durch einen Unglücksfall, aber dieses Unglück war nicht unabwendbar … Johann hat es selbst herbeigeführt …«
    Kaul fuhr herum. Sein Gesicht war verzerrt. »Das ist nicht wahr! Ich habe Strom in der Leitung gelassen!«
    »Ja. Aber Johann hat die Drähte –«
    »Er ist dran gekommen! Es war meine Schuld!«
    »Nein! Er wollte sich einige Meter abschneiden. Dabei ist es passiert …«
    »Er wollte …« Kaul setzte sich gerade. Er starrte Frida Milbach und die Kinder an, als habe er gerade in diesem Moment das Sehen gelernt. »Aber er ist doch –«
    »Glauben Sie, ich würde das sagen, wenn es nicht wahr wäre? Ich habe Johann geliebt, er war mein Mann, ich hatte sieben Kinder mit ihm, fünf leben, und diese Kinder sollen ihren Vater lieben und ehren über den Tod hinaus. Aber die Wahrheit muß wahr bleiben: Johann wollte einige Meter Draht abkneifen. Nicht für sich, für uns, für unser Schlafzimmer. Er hatte es nicht nötig, bei Gott nicht. Aber Sie wissen, wie das so bei den Männern ist. Da hängt was rum, und da gehen sie ran. Das ist kein Diebstahl in ihren Augen … das nennt man organisieren, sich untern Nagel reißen … aber es bleibt doch etwas Verbotenes.« Frida Milbach sah zu ihrem ältesten Sohn. Er ging in die Schlosserlehre und verstand, was seine Mutter jetzt preisgab. Er senkte den Kopf und schämte sich, daß er plötzlich Tränen in den Augen hatte. Vater, dachte er. So also ist das gewesen …
    »Johann hat den Draht nehmen wollen – daß er unter Strom stand, ist nicht Ihre Schuld, Herr Kaul! Johann brauchte die Leitung nicht anzufassen.«
    »Aber Bollanz …«, stöhnte Kaul. »Bollanz war doch dabei. Er sagt, daß Johann zufällig an das freie Ende kam, weil es in den Gang hing …«
    »Wer ist Bollanz?« fragte Frida Milbach.
    »Einer aus Johanns Kolonne. Er … er …« Kaul schwieg. Susannes Starrheit löste sich.
    »Er erpreßt Peter seitdem. Er erkauft sich mit seinem Schweigen den halben Wochenlohn von Peter.«
    »Zwanzig Prozent!« rief Kaul. »Das andere versaufe ich!« Er warf die Arme empor und sprang auf. Die Kinder wichen zurück, Judo-Fritze lehnte abwartend an der Tür. »Ich saufe, wenn ich diesen Druck nicht aushalten kann … ein Toter, fünf Waisenkinder, und wenn es herauskommt durch Bollanz, ist auch meine Familie zum Teufel … Mein Gott, was bleibt mir denn anderes übrig, als zu saufen? Wo ist denn Vergessen?« Er sank zusammen und stützte sich am Fußende des Bettes. »Und nun soll alles nicht wahr sein …«, sagte er kaum hörbar.
    »Es war nicht Ihre Schuld, Herr Kaul. Glauben Sie es mir. Wenn ich es Ihnen sage, im Beisein der Kinder …«
    Stumm sah Peter Kaul wieder auf Frida Milbach und in die aufgerissenen Augen der fünf Kinder. Es war alles umsonst, dachte er und spürte, wie es in ihm zu brennen begann. Die Not, jeden Freitag, die zwanzig Prozent des Lohnes an Bollanz, die Jagd nach dem Vergessen, das Saufen, das Kotzen hinterher, die verblödete Gundula, die Schulden, die Leere, die Susannes Leben hatte, die Verwahrlosung seiner Seele, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Morgen und Übermorgen, die Gedanken, Schluß zu machen, der Weg zur Ruhr, das kühle Wasser, der tote Fisch mit dem silbern schillernden Leib, der Mond, der blaß über den Feldern stand, die Anstalt, der homosexuelle Berliner auf Zimmer siebzig, Flügel III, das Gefängnis, die Ganoven mit ihren schweinischen Reden, die Flasche aus der Gefängnisapotheke, neunzig Prozent reiner Alkohol … alles umsonst, alles sinnlos, alles für ein Nichts, eine Lüge. Ein ganzes Leben weggeworfen für die Illusion, ein Mörder zu sein!
    Peter Kaul brach am Fuß des Bettes zusammen und schlug mit dem Kopf auf den Boden. Judo-Fritze riß die Tür auf und schob Frida Milbach und die entsetzten Kinder auf den Flur. Dann rannte er zurück und hob mit Susanne den schlaffen Körper aufs Bett.
    In der Ecke am Fenster standen

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