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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Broussac. Ein Franzose. Hatte in der Provence ein Gut. Als er starb, jagten mich die Verwandten zum Teufel. Aber das ist eine lange Geschichte. Sie interessiert Sie sicherlich nicht.«
    »Nein, Frau Gräfin.« Dr. Linden neigte etwas den Kopf. »Mich interessiert viel mehr, welchem Anlaß ich Ihre Bekanntschaft verdanke. Sie sind nicht zu mir gekommen, um meine einsamen Tage zu verschönen.«
    »Wir brauchen Sie, Herr Doktor«, sagte die ›Gräfin‹. Mit vollendeter Grazie setzte sie sich auf den einzigen Stuhl, schlug die Beine übereinander und suchte in ihrer Handtasche nach Zigaretten. Linden sah ihre Beine an. Der Rock war hochgerutscht. Rote Unterwäsche mit schwarzen Spitzen. Zwischen Spitze und Strumpfkante weißes, fahles, nacktes Fleisch.
    »Wer ist wir?« fragte Dr. Linden.
    »Rauchen Sie?«
    »Danke.«
    »Unser Doktor ist vor einigen Wochen gestorben. Er war ein guter Mann. Zwanzig Jahre lebte er unter uns, wie ein Vater war er zu uns allen.« Die ›Gräfin‹ sah an die bröckelnde Decke und zeigte ehrliche Ergriffenheit. Nebenan hustete jemand und sagte: »Ich krieg' zehn Mark zurück! Vierzig waren ausgemacht!« Das prustende Nilpferd. Auch noch geizig, der Knabe!
    »Doktor Blinker wohnte allerdings in keinem Hotel, sondern im Bunker, bei den anderen. Er war wie wir alle jeden Tag betrunken, aber wenn's darauf ankam, war er da. Er hat sogar nach 'ner Schießerei vier Kugeln aus den Rippen geschnitten, im Keller eines Neubaues! Und auch sonst … bei den Mädchen, wissen Sie … Spaß haben sie alle gern, aber wenn die Kerle nicht aufpassen … Und da war immer der Doktor Blinker da mit der Curette … kritzekratze, und der Fall war erledigt. Und nun ist der liebe, gute Doktor Blinker tot. Schrumpfleber, muß ja so kommen. Daran gehen wir alle ein! Und Ersatz ist nicht da! Aber nun kommen Sie, Doktor Linden … und wir haben wieder Hoffnung.« Die ›Gräfin‹ drückte die Zigarette aus. »Wir sind alles Privatpatienten, Doktor! Honorar in bar oder in Naturalien! Flaschen oder Mädchen, ganz, wie's beliebt. Was halten Sie davon?«
    »Wenig.« Dr. Linden stieß sich von der Fensterbank ab. »Was da der verblichene Kollege Blinker getan hat, ist seine Sache. Solche Dinge wie mit der Curette mache ich nicht!«
    »Die medizinisch-ethische Achtung vor dem Leben!«
    »Genau!«
    »Gut! Suchen wir dafür einen anderen. Aber sonst, Doktor: Hätten Sie Lust, der Leibarzt der Vogelfreien zu werden?«
    »Sie werden romantisch, Gräfin.« Dr. Linden lächelte. Sein schönes, männliches Gesicht glänzte. Die ›Gräfin‹ starrte ihn an. Ich werde mich in ihn verlieben, dachte sie. Es wird mir gar nichts anderes übrigbleiben. Ich werde den Kopf verlieren, wenn er mich so ansieht. Er wird in unseren Kreis wie eine Lichtgestalt einbrechen. Baldur der Trinker. Der König der Wermutbrüder. Der Herrscher der Bunkerratten.
    »Unten wartet eine Abordnung auf Ihre Antwort, Doktor«, sagte die ›Gräfin‹ mit unsicherer Stimme.
    »Eine gute Organisation. Alles Pennbrüder?«
    »Die Intelligenz, Doktor. Sie werden sich an die Namen schnell gewöhnen: Emil, der Fisch, René, der Kavalier, und Jim, das Kamel …«
    Dr. Linden lachte. Er ging zum Spülbecken, entkorkte die andere Flasche Sekt und hielt sie der ›Gräfin‹ hin.
    »Prost, Frau Gräfin!« rief er. »Früher trank ich aus geschliffenen Gläsern. Welcher Luxus! Mit einer schönen Frau trinke ich aus der hohlen Hand …«
    Die ›Gräfin‹ nahm die Flasche und setzte sie an die Lippen. Dabei sah sie Dr. Linden aus weiten Augen an.
    Ein Mann, dachte sie und spürte ein Zittern an den Innenseiten ihrer Schenkel. Ein richtiger Mann in unserer Mitte. Ob ich das Wunder der wirklichen Liebe noch einmal kennenlerne … noch einmal glücklich sein, bevor ich zerfalle …
    »Rufen Sie Ihre Kumpane herauf, Frau Gräfin!« sagte Dr. Linden und nahm ihr die Flasche ab. »Ob an einem blinkenden OP-Tisch oder in einer Bunkerzelle … schließlich geht es ja um den Menschen, nicht wahr? Und wer könnte menschlicher sein als wir …«
    Die ›Gräfin‹ erhob sich. Ihre rotgeränderten Augen flimmerten. »Uns hat das Glück noch nicht verlassen«, sagte sie leise. »Es ist mir, als hätten Sie einmal kommen müssen …«
    Ein kurzer Brief alarmierte die Familie Linden in Essen.
    Aus Köln schrieb ein Hotelier folgende Zeilen:
    »Vor vier Tagen wohnte bei uns, Zimmer vierzehn, ein Herr, der sich Dr. Linden nannte. Die Hotelleitung sah sich leider genötigt, den Gastvertrag

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