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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frei! Ich bin geheilt. Ich nehme Kölnisch Wasser für die Haut, und ich erfreue mich am frischen Geruch. Weiter nichts.
    Unten in der Halle warten Susanne und die Kinder, Blümchen in den Händen. Wie bei einem Heimkehrer.
    »Was ist denn, Peter?« fragte Judo-Fritze an der Tür, schon im Flur. »Kannste dir nich trennen von der Bude?«
    Peter Kaul nickte. Mit steifen Knien verließ er sein Zimmer. Im Flur hörte er durch die Decke von der über ihm liegenden Etage wieder einen Höllenlärm. Dort veranstalteten die Delirium-Kranken wieder einen Aufstand. Das kam selten vor … meistens hockten sie stumpfsinnig herum, durch starke Beruhigungsdosen unschädlich gemacht. Aber ab und zu half keine Spritze mehr, da wurden sie vulkanisch. Und wie man einen Vulkan nicht mit einem Korken abdichten kann, so brach aus diesen Menschen das Urhafte heraus. Das alte, unbegreifliche Phänomen vollzog sich wieder: Urhaft heißt Zerstörung!
    »Ick jeh gleich rauf!« sagte Fritze gemütlich. »Drei sind schon oben! Da sind vier Neue gekommen, die wollen zeigen, wie stark se sind! Junge, was gibt es doch für Idioten!«
    In der Halle standen Susanne und die Kinder. Als sie Peter Kaul auf der Treppe sahen, rissen sich Heinz und Petra von Susannes Hand los und rannten ihm entgegen.
    »Papi!« riefen sie. »Papi!« Ihre hellen, jungen Stimmen waren wie Fanfaren in der weiten Halle. »Wir holen dich ab! Du bleibst wieder bei uns! Papi …«
    Peter Kaul ließ die Einkaufstasche fallen und breitete die Arme aus. Er fing die Kinder auf, hob sie hoch, drückte sie an sich, und was er nie und nimmer wollte, wovor er sich gefürchtet hatte in all den Stunden, seit er wußte, daß er entlassen wurde, trat nun ein, es war stärker als jeglicher Wille: Er weinte wie ein Kind, Schluchzen schüttelte seinen Körper, die Tränen liefen ihm über die Wangen und näßten die Gesichter der Kinder, die er an sich gepreßt hielt.
    »Ich bin wieder da …«, stammelte er, als er merkte, wie Heinz und Petra nicht mehr jubelten, sondern ihn fassungslos anstarrten. Sie kannten alles an ihrem Vater, Trunkenheit, Fröhlichkeit, Jähzorn, Brüllen und Lachen, Zerschlagen von Möbeln und Zärtlichkeit gegenüber der Mutti … aber weinen hatten sie ihn nie gesehen. Es war ihnen unmöglich erschienen, daß ein Vater überhaupt weinen konnte.
    »Ich bin wieder da!« brüllte Peter Kaul plötzlich. Seine Stimme war eine Explosion. Die Kinder zuckten zusammen – aber dann lachten sie wieder.
    Ja, das war der Papa!
    »Mutti! Er ist wie früher!« rief Heinz die Treppe hinunter.
    Susanne lächelte still. Gott gebe, daß es nicht so ist, dachte sie. Er muß wie ganz früher sein, wie damals, als er mit mir an den Ruhrwiesen entlangging und mir sagte, daß er mich liebte, richtig liebte, nicht nur so wie die anderen, um das eine zu haben, sie wüßte schon, was. Er wolle sie heiraten.
    »Peter …«, sagte sie und streckte beide Arme nach ihm aus, als er in der Halle der Landesheilanstalt vor ihr stand. »Willkommen bei uns! Wir fahren sofort nach Hause …«
    Er küßte sie, scheu und doch innig. Er schämte sich vor den Kindern, vor Judo-Fritze, der die Treppe herunterkam, vor einigen Schwestern und Ärzten, die die Halle durchquerten.
    »Nicht sofort, Susi …«, sagte er leise. »Laß uns ins Grüne fahren …« Er lächelte. »Dumm, was. Draußen ist es ja kalt. Hat es schon gefroren?«
    »Nicht viel.«
    »Trotzdem. Ich will die Freiheit sehen! Die Weite! Ich habe zu lange in einem Zimmer gesessen …«
    »Ich habe zu Hause alles gerichtet, Peter. Schweinebraten, Klöße, Stachelbeerkompott … dein Leibgericht …«
    »Susi …« Er lehnte den Kopf auf ihre Schulter und schloß die Augen. »Es ist nicht wahr, daß es keine Engel mehr gibt …«
    Die Nacht. Die gefürchtete erste Nacht.
    Die Kinder schliefen. Das Glück lag auf ihren entspannten Gesichtern wie leuchtende Schminke. Selbst Gundula schien begriffen zu haben, daß es ein besonderer Tag war. Sie hatte gespielt und ihre unverständlichen Töne mit größerer Lautstärke hervorgestoßen. Nun lag auch sie erschöpft unter der Decke.
    Peter Kaul hatte den Arm unter den Nacken Susannes geschoben und ihren Kopf zu sich herangezogen. Ihre Körper berührten sich ganz leicht, sie spürten ihre gegenseitige Wärme, die Glattheit ihrer Haut, die Sehnsucht, die wie ein elektrischer Schleier sie umspann.
    »Was wird, wenn das neue Kind so wird wie Gundi?« fragte Kaul mit trockener Kehle. Die weiche Hand Susannes

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