Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
festen Rahmen und einem Schloß. Dieses war verriegelt. Joe Pettigrew glaubte Staub unter der Türspalte auf dem Fußboden zu erkennen. Er wußte, sie wurde nur selten geöffnet. Jedenfalls war die Tür verriegelt, und das war wichtig.
    Er ging weiter in einen kleinen Flur, der unter der Treppe zum ersten Stock hervor in die große Diele führte. Diesen Flur brauchte man, um zu dem Badezimmer zu gelangen, das einst der Wintergarten gewesen war und das auf der anderen Seite der Diele lag.
    Unter der Treppe befand sich eine Kammer. Joe Pettigrew öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. In der Ecke zwei Koffer, Anzüge auf Kleiderbügeln, ein Mantel und ein Regenumhang. In einer Ecke lagen ein Paar schmutzige weiße Tennisschuhe. Er drehte das Licht wieder aus und schloß die Tür.
    Er ging in das Badezimmer. Für ein Bad war es ziemlich groß, und die Wanne war ein altmodisches Stück. Joe Pettigrew ging an dem Spiegel über dem Waschbecken vorbei, ohne hineinzuschauen. Er hatte keine Lust, jetzt mit Joseph zu sprechen. Auf die Einzelheiten kam es an, sie verlangten seine ganze Aufmerksamkeit. Die Badezimmerfenster standen offen, und die dünnen Vorhänge flatterten im Wind. Er zog die Schiebefenster herunter und verriegelte sie an den Seiten. Neben der Tür, durch die er das Bad betreten hatte, gab es keinen weiteren Ausgang.
    Es hatte einen gegeben, der in den vorderen Teil des Hauses geführt hatte, aber er war zugemauert und mit einer wasserfesten Tapete übertapeziert worden wie der übrige Teil der Wand. Der Raum dahinter, den man nur noch von der Diele her betreten konnte, war nichts weiter als eine Rumpelkammer. Alte Möbel und verschiedenes Gerümpel standen darin und ein Schreibtisch mit Rollverdeck aus heller Eiche, wie es früher Mode gewesen war. Joe Pettigrew hatte den Raum nie benützt, ihn kein einziges Mal betreten. Das war's also.
    Er drehte sich um und blieb auf dem Rückweg zur Tür vor dem Badezimmerspiegel stehen. Eigentlich hatte er es gar nicht tun wollen. Aber Joseph könnte etwas eingefallen sein, was er wissen sollte, und deshalb blickte er Joseph an. Joseph blickte ihm aus dem Spiegel entgegen, mit einem unangenehm starren Blick.
    »Das Radio«, sagte Joseph barsch. »Du hast es ausgeschaltet. Das war falsch. Leiser drehen, ja. Aber nicht aus.«
    »Oh«, sagte Joe Pettigrew zu Joseph. »Ja, ich glaube, du hast recht. Und dann ist da noch die Pistole. Aber die habe ich nicht vergessen.« Er klopfte mit der Hand gegen seine Tasche.
    »Und die Schlafzimmerfenster«, sagte Joseph, und es klang beinahe verächtlich. »Und nach Gladys mußt du auch sehen.«
    »Die Schlafzimmerfenster, klar«, sagte Joe Pettigrew, und nach einer Pause: »Ich möchte sie nicht ansehen. Sie ist tot. Sie muß tot sein. Um das zu wissen, brauchte man ihn nur anzusehen.«
    »Diesmal hat sie den Falschen an der Nase herumzuführen versucht, nicht wahr?« fragte Joseph kalt. »Oder hast du insgeheim damit gerechnet?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Joe. »Nein, ich glaube nicht, daß ich das vermutet hätte. Aber ich habe alles verpatzt. Ich hätte ihn gar nicht erschießen müssen.«
    Joseph blickte ihn mit einem sonderbaren Ausdruck an. »Hättest du es nicht getan, wäre das eine Verschwendung der Zeit und des Pulvers des Professors gewesen. Du glaubst doch nicht, daß er hier vorbeigekommen ist, nur weil er einen Spaziergang machen wollte?«
    »Adieu, Joseph«, sagte Joe Pettigrew.
    »Was heißt hier adieu?« fuhr Joseph ihn an.
    »Ich habe so ein Gefühl«, entgegnete Joe Pettigrew. Er verließ das Badezimmer.
    Er ging um das Bett herum und schloß und verriegelte die Schlafzimmerfenster. Endlich sah er zu Gladys hinüber, obwohl er es gar nicht hatte tun wollen. Der Blick war unnötig. Er hatte richtig vermutet. Wenn jemals ein Bett wie ein Schlachtfeld ausgesehen hatte, dann dieses hier. Wenn jemals ein Gesicht blau angelaufen, verzerrt und tot ausgesehen hatte, dann das Gesicht von Gladys. Nur ein paar Kleidungsfetzen bedeckten ihren Körper, mehr nicht. Nur ein paar Fetzen. Sie sah arg zerschunden aus. Sie sah grauenhaft zugerichtet aus.
    Joe Pettigrews Zwerchfell verkrampfte sich und würgte Erbrochenes in seinem Mund. Schnell verließ er den Raum und lehnte sich draußen gegen die Tür; aber er achtete darauf, sie nicht mit den Händen zu berühren.
    »Radio einschalten, aber leise spielen lassen«, sagte er in die Stille hinein, nachdem sich sein Magen wieder beruhigt hatte. »Pistole in seine Hand

Weitere Kostenlose Bücher