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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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sagte er.
    Wir sollten auf den Grund der Dinge gehen, möglicherweise wachsen uns noch welche, es ist hochinteressant. Arapi sagte, mir könnten immerhin noch geistige Flügel wachsen.
    Dir nicht mehr, mit sechzig Jahren.
    Warum nicht, man muß nur nachdenken, sagt Arapi, und diskutieren.
    Merkst du nicht, wie das Haus stinkt, fragte Radarro.
    Bleib doch nicht immer in sekundären Fragen stecken. Auf diese Weise wachsen dir keine Flügel.
    Sie zog aus ihrem Zipfelrock, der sehr dem ersten Rock Arapis ähnelte, ein Brillenungetüm mit schwarzen Gläsern.
    Radarro starrte sie erschrocken an, er sah sich in dem Glas als Wurm, der sich, auf dem Bauch kriechend, von Teppichstaub ernährt. Ja, sicher, es sind vielleicht wirklich sekundäre Fragen.
    Seine Frau lächelte breitmündig, mit grünlackierten Lippen. Arapi trug sie auf das Dach, wo sie sich vorsichtig niedersetzte, als wäre sie von einem warmen Ei davongeflogen.
    Radarro beschloß, sich einer seiner Kommissionen, an deren Spitze er noch immer stand, zu widmen, primären Fragen also, wie er sich sagte. Er suchte sich die nächstgelegene von denen, die gerade tagen sollten, und ging zu Fuß hin.
    Der Marmorsaal war leer, im Dach stand eine Klappe offen.
    Radarro stieg die angelehnte Leiter hoch, die Kommission saß brütend auf dem Dach, und ihre Rücken wölbten sich, als ob sie Flügel unter ihren Jacken hätten. Radarro klopfte einem Mitglied auf den Rücken. Schau m polster, fühlte er, auf allen Rücken fühlte er die Polster. Das finde ich b e sonders widerlich, nicht biologisch fliegen können und anstelle von Flügeln Polster tragen.
    Es ist die neue Linie, sagte das Mitglied mit dem dicksten Polster.
    Und was besprecht ihr hier?
    Wir denken zunächst nach; es war ein Fehler, immer gleich zu handeln, so unweise Methoden lehnen wir jetzt ab.
    Setzen Sie sich zu uns, Radarro, Sie können noch viel lernen.
    Ich danke bestens, wollte Radarro sagen, doch stieg er lieber schweigend die Leiter runter. Im leeren Saal versuchte er die neue Sitzhaltung der Kommission. Mir fehlt das Polster, dachte er.
    Auf seinem Rückweg erblickte er auf vielen Dächern Versammlungen. Nicht immer konnte er genau erkennen, welcher Teilnehmer orthogener und welcher menschlicher Natur war.
    In den Schaufenstern der großen Modehäuser sah er im Rücken rundg e schnittene Jacken, Mäntel, Kleider, rückwärts gewölbt durch Polster. In den Parfümeriegeschäften lag gelbliches Make-up und e ine Gesichtslotion, die Falten à la Pipo erzeugen sollte. Und vor der Universität sah er Studenti n nen mit runzligen Gesichtern, buckligen Rücken. Er wollte beim Rektor dagegen protestieren. Er traf ihn inmitten einer brütenden, buckligen Ve r sammlung.
    Wer keine Flügel hat, der sollte keine vorspiegeln. Radarro riß unb e herrscht dem Rektor die Jacke ab und auch das Hemd, er hatte plötzlich Federn in der Hand, der Rektor besaß Flügel.
    Sind Sie ein Orthogener? fragte verwirrt Radarro.
    Leider nicht ganz, sagte der Rektor, die Flügel, symbolisch, sind mit Saugnäpfen an meiner Rückenhaut befestigt; es wird aber etwas entw i ckelt, es wird, verlassen Sie sich darauf.
    Ich finde das höchst unwürdig, sagte Radarro.
    Er kam sich auf der Straße wie ausgestoßen vor, der einzige, der keine Jacke mit Rückenpolster, geschweige Flügel trug.
    Ein junges Mädchen, elegant verrunzelt, rauschte mit zipfeligem Rock an ihm vorbei und sah ihn kurz durch eine schwarze Brille an.
    Radarro erblickte sich im Glas a ls tatterigen Greis, der die ge sellschaftl i che Entwicklung nicht versteht.
    Als er müde nach Hause kam, sonnte sich auf der Gartenmauer Arapi. Sie wirkte auf ihn weniger orthogen, viel eher menschlich.
    Ach, sagte er, Arapi, wenn ich Flügel hätte, dann würde ich dich bitten, mit mir wegzufliegen.
    In ihrer Brille sah er sich als Krüppel, an seinem Rücken hingen Krücken.
    Du hast ein Flugzeug, soviel ich weiß.
    Ich möchte richtige Flügel.
    Sie würden dir nicht stehen, Radarro, die Bilder von den Engeln finde ich pervers. Es war schon etwas dämmrig. Arapi sagte, ich bin ganz gern in deinem Haus, Radarro.
    Zieh deine Jacke und vielleicht auch dein Hemd aus, ich möchte deine Flügel sehen.
    Der leichte Wind, den ihre Flügel machten, kam ihm wie Streicheln vor. Trag mich ein bißchen.
    Sie flog ihn mehrmals um das Haus, stieg hoch und segelte dann schräg nach unten.
    Danke, Arapi.
    Im Bett erwog Radarro Möglichkeiten, sich Flügel, die ihn wirklich trügen, zu schaffen. Wir

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