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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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sie uns schon aus Nasen und O h ren quellen.
    Vermutlich war auch mein geistiger Leistungsstand nicht mehr der von vor einigen Wochen. Trotzdem begann mir zu dämmern, unsere Schw ä chen könnten vom Genuß der neuen Supermuschel herrühren. Wir sollten sie analysieren, sagte ich, sie kommt mir vor wie ein aufgeblasener Frosch, der zwar groß wie ein Ochse wird, aber in dem nichts als Luft steckt. Aber sie war ja von sämtlichen Instituten der Welt analysiert worden. Und bevor sie sie heraufbeförderten, analysierten die Mittelzwercke sie. Alle Ergebni s se besagten, die Konsistenz sei dichter, sie enthalte weniger unnötige Sto f fe, sei weniger wäßrig, was den Saft wertvoller mache.
    Sie ist die alte Muschel nicht mehr, sagte ich, da fehlt was, sie ist hoc h gepumpt, sie wird in sich zusammenfallen.
    Vorläufig wächst sie noch, sagte Nickelsen .
    Es ist die Muschel nicht mehr, es ist nicht mehr mein Grünes Medaillon, sagte ich, es ist ausgelaugt, degeneriert.
    Aber sie wächst wie verrückt.
    Sie degeneriert ins Gigantische, sagte ich. Nach dieser geistigen Anstre n gung legte ich mich auf das grünliche Laken und schlief sofort ein.
    Friederike weckte mich.
    Wir wachsen zu, wir liegen hier und schlafen, und das Grüne wächst. Wir kommen hier nie wieder raus. Wir müssen eine Delegation bilden und zu Mittelzwerck gehen.
    Ich schlafe nicht, mein Kind, sagte ich. Aber hatte ich nicht die ganze Zeit geschlafen von dem Augenblick an, als die Mittelzwercke sich der Grünen Medaillons bemächtigten? Jetzt geht es an meine Muschel, hatte ich g e dacht und vielleicht auch gesagt. Jetzt mußt du aufpassen, Philemon, aber bei Kutz, hinter der Folie, wo ich in meinen alten Meeresgarten tauchte und als junger Mann durch die mattgrünen Reihen strich, muß mir der Auge n blick entgangen sein, in dem es aufzupassen galt. Was nützte jetzt eine Delegation, die bei Mittelzwerck protestierte? Die Muschel war hin, zu e i nem Nichts aufgebläht, sie würde platzen wie eine Blase, sie würde ma s senhaft vertilgt werden, hochgepriesen, angebetet. Sie war nur ein Pha n tom. Es gab sie nicht.
    Und sicher gab es auch nicht mehr meinen conviva ludibundus.
    Nahe schien mir zu liegen, daß es demnächst auch keinen Mittelzwerck mehr geben würde. Und keinen Chang und keine Chang-Besatzung und keinen Nickelsen und keine kleine Kutz. Natürlich auch keinen alten Phil e mon.
    Ich hatte die Entwicklung auf dem Chang mit angesehen, sie laufen la s sen, weil ich gemeint hatte, daß es noch schlimmer kommen müsse, damit es besser wird. Aber es ist nicht einfach, abzuschätzen, wie schlimm es kommen muß, wo sich der Schlimmst-Punkt befindet, wieviel Grad slim die Kurve erreichen darf, und auch die Frage, ob es beim Umschlag einer schlimmen Quantität in eine neue Qualität sich stets um eine bessere Qu a lität zu handeln habe, ob nicht das Schlimme schlimmer werden würde und ob da überhaupt ein Umschlag stattfände, ob sich nicht einfach die Quant i tät des Schlimmen hemmungslos vermehrte, auch diese Frage war nicht ohne weiteres zu beantworten, und wie die Praxis mir nun zeigte, erhob sich noch eine weitere Frage: An welchem Punkt der slim-Entwickung muß eingegriffen werden? Wann ist mit dem Besserwerden trotz schlimmster Schlimmheit nicht mehr zu rechnen? Man mag mir vorwerfen, ich hätte Mittelzwerck (echt greisenboshaft) weitermachen lassen, hätte aus seinen Idiotien privaten Lustgewinn gezogen, aber wenn solche Nebenprodukte auch entstanden sind – wozu es leugnen? – , so habe ich dennoch ve r sucht, mit Mittelzwerck zu reden, aber es war zu spät, der slim-Punkt, der entscheidende, war überschritten. Jetzt zu erforschen, wo er gelegen hatte, ob schon zu Anfang unserer Reise, ob schon am Meeresgarten, erschien mir witzlos. Mittelzwerck hatte mich niemals mit sich reden lassen. Das einzige, was ich hätte tun können, wäre vielleicht ein offner Brief an die Gesellschaft, ein Weltprotest gewesen. Aber was hätte er genützt? Hätte jemand darauf gehört? Wäre mein Protestieren nicht nur ein Alibi gewesen, ein Aktenfüllen, damit es hundert Jahre später hätte heißen können: Als einziger hat der greise Philemon gewarnt, es wurde aber nicht auf ihn g e hört. Ja, darauf, daß auf sie nicht gehört wurde, sind manche Leute hinte r her noch stolz, es gibt ihnen das Odium des verkannten Weisen und stellt die anderen als versteckte Besserwisser hin. Aber was nützt die Warnung, die nicht ernst genommen wird? Dient sie der Sache?

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