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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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nichts zu tun.«
    »Drum denn – mag’s denn sein«, wiederholte Unrat. »Das Verdienst an der gemütvollen Wirkung des Liedes gebührt mithin – traun fürwahr – der vortragenden Künstlerin ganz allein.«
    Die Nennung der Künstlerin Fröhlich bewirkte in ihm einen Stolz, den er zurückdrängte, indem er den Atem anhielt. Er lenkte gleich wieder von ihr ab. Er warf Lohmann seine romantische Dichtungsart vor und verlangte eifrigeres Studium des Homer von ihm. Lohmann behauptete, die wenigen, wirklich poetischen Stellen bei Homer seien längst überboten. Der sterbende Hund, bei Odysseus’ Heimkehr, befinde sich viel wirksamer in »La Joie de vivre«, von Zola.
    »Wenn Sie davon gehört haben, Herr Professor«, setzte er hinzu.
    Schließlich gerieten sie auf das Heinedenkmal, und Unrat rief befehlshaberisch und mit Rachedrang gegen Lohmann in die Nacht hinaus: »Nie! Niemals!«
    Sie waren beim Stadttor; Unrat hätte nun gleich abbiegen müssen. Statt dessen beschied er, zwischen den dunkeln Wiesen, Kieselack zu sich her.
    »Gehen Sie nun denn also mit Ihrem Freunde von Ertzum«, sagte er zu Lohmann. Im Augenblick warf sich all seine Besorgnis auf Kieselack. Die Familienverhältnisse dieses Schülers leisteten keine Bürgschaft für ihn. Sein Vater war ein des Nachts beschäftigter Hafenbeamter. Kieselack gab an, er teile sein Heim nur mit einer Großmutter. Unrat bedachte, daß durch solche Greisin Kieselacks nächtliche Bewegungsfreiheit gewiß wenig beschränkt werde. Und das Tor des Blauen Engels stand noch lange offen …
    Kieselack witterte, worauf es Unrat ankomme. Er versicherte: »Großmutter haut mich.«
    Unter Unrats wachsamen Blicken, ein Stück vor ihm auf, ließ von Ertzum seine krampfig geballten Fäuste hängen und sagte dumpf zu Lohmann: »Er soll es nicht zu weit treiben, das rat ich ihm bloß. Alles hat ’n Ende!«
    »Hoffentlich noch nicht«, erwiderte Lohmann. »Ich finde die Geschichte immer fragwürdiger.«
    Ertzum, von neuem: »Ich will dir was gestehen, Lohmann … Wir sind hier ziemlich allein, die nächste Laterne und der nächste Schutzmann kommen beide erst bei Witwe Blöß. Wenn ich mich umdreh und den Menschen niederschlage – ihr werdet mich ja hoffentlich nicht abhalten … Dies Weib – dies Weib in den Pfoten eines solchen Elenden, einer solchen Krabbe! Ihre Reinheit! … Kerl, du, es geschieht was!«
    Von Ertzums Heftigkeit stieg, weil er fühlte, daß er befremde. Aber das machte ihm nichts, und er schämte sich seiner Drohungen nicht mehr, denn heute wußte er sich fähig, sie alle zu vertreten.
    Lohmann zögerte.
    »Ein Geschehnis wäre es, wenn du ihn totschlügest, das läßt sich allerdings nicht leugnen«, bemerkte er schließlich, müden Tonfalls. »Es hätte doch mal einer eine Geste gewagt – eine Tür aufgerissen – statt daß unsereiner immer nur dahintersteht, mit Angst, ertappt zu werden, wenn sie plötzlich von innen geöffnet würde.«
    Lohmann schwieg und wartete gespannt darauf, daß der andere ihm ins Gesicht sage, er liebe Frau Dora Breetpoot. Er spielte in seinem Sinn mit der Flinte, die für solchen Fall bereitlag … Aber sein Gedächtnis zerging ungehört in der Luft.
    »Eine andere Frage«, und Lohmann verzog den Mund, »ist allerdings, ob du’s tust … Du tust ja auch nichts.«
    Von Ertzum machte eine wilde Bewegung rückwärts. Lohmann sah, denn die Laterne der Witwe Blöß war nicht mehr fern, ganz gut einen Schwindel durch seines Freundes Blick streichen. Er packte ihn am Arm.
    »Keine Dummheiten, Ertzum!«
    Darauf stellte er sich ungläubig.
    »So was gibt’s doch nicht, das faßt man doch nicht ernstlich ins Auge. Sieh dir den Menschen an, bitte. Ist das einer, den man mordet? Das ist einer, über den man die Achseln zuckt. Hast du Lust, nach geschehener Tat mit dem alten Unrat zusammen in der Zeitung zu stehn? Wie kompromittierend!«
    Ertzums schwerblütige Wallung legte sich allmählich. Lohmann verachtete ihn ein wenig, weil er wieder ungefährlich war.
    »Noch dazu«, bemerkte er, »hättest du etwas nicht ganz so Unsinniges tun können und hast es nicht getan. Hast du von Breetpoot Geld verlangt?«
    »N-ein.«
    »Siehst du. Du wolltest vor deinen Vormund hintreten, ihn deine Leidenschaft wissen lassen und deine Entschlossenheit, ihr nachzugehn. Daß du ein Mann seist, und daß du lieber zweijährig dienen wolltest als zusehn, wie die Geliebte an einen Schubjack verlorengehe. Du wolltest dich um ihretwillen

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