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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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schon. Die Künstlerin Fröhlich sagte noch, strahlend von Lebenslust: »So leben wir für alltags, Professorchen. Sonntags machen wir es noch viel schneidiger.«
    Und gleich darauf brach sie in Schluchzen aus. Unrat sah erstaunt und durch einen Schleier, wie sie die Nase zwischen ihre beiden auf dem Tisch liegenden Hände drückte, und wie ihr verbogenes Diadem auf und nieder flog.
    »Das is ja man die glänzende Außenseite«, brachte sie hervor. »Drinnen gibt’s nichts als graues Elend …«
    Sie jammerte noch weiter. Unrat suchte peinlich nach etwas, das er ihr sagen könne. Indem kam Kiepert von draußen, hob Unrat vom Stuhl und erklärte, ihn hinausgeleiten zu wollen. Unter der Tür hatte Unrat etwas gefunden. Er wendete sich, und seine Hand tastete durch die Luft, mit Anstrengung zurück nach der Künstlerin Fröhlich, die schon schlief, und versprach ihr: »Ich werde versuchen, Sie durchzubringen.«
    Dies konnte ein Lehrer vor der Versetzung zu einem Schüler sagen, dem er wohlwollte, oder er konnte es über ihn denken. Aber Unrat hatte es noch zu keinem gesagt und von keinem gedacht.

VII
    Es war achteinviertel und Unrat noch immer nicht da. In der Gier, ihre Freiheit auszunutzen, lärmte die Klasse bis zur Selbstbetäubung, bis zur Verblödung. Alles schrie, ohne noch darum zu wissen: »Unrat! Unrat!« Die einen waren davon unterrichtet, er sei tot. Die andern schwuren, er habe seine Wirtschafterin zu Haus ins Kabuff gesperrt und sie verhungern lassen und befinde sich zu dieser Stunde im Zuchthaus. Lohmann, Ertzum und Kieselack schwiegen dazu.
    Unversehens schlich Unrat langen Schrittes auf das Katheder zu und ließ sich mit Vorsicht, als schmerzten ihn seine Knochen, in den Sessel hinein. Viele hatten seine Gegenwart noch nicht bemerkt und brüllten weiter: »Unrat!« Aber es schien Unrat nichts daran zu liegen, ob er es ihnen »beweisen« könne. Er sah sehr grau aus, wartete geduldig, bis man ihn reden ließ, und betrug sich bei der Beurteilung der Antworten mit geradezu kränklicher Grillenhaftigkeit. Einen, dem er sonst leidenschaftlich nachzustellen pflegte, ließ er zehn Minuten lang die falscheste Übersetzung liefern. Einem andern fiel er giftsprühend ins erste Wort. An Ertzum, Kieselack und Lohmann sah er wieder standhaft vorbei – aber er dachte nur an sie. Er fragte sich, ob sie gestern nacht auf seinem mühseligen Heimwege nicht an einer Hausecke gestanden hätten, an der er sich, beide Hände auf der Mauer und grade sehr üblen Mutes, vorbeigetastet hatte. Er meinte sogar, sie angestoßen und Pardon gesagt zu haben …
    Aber sein Denken war auch noch damals unverwüstlich klar geblieben, und er hatte keinen Augenblick das Verständnis dafür eingebüßt, daß nicht alles, was er in jener Verfassung sah und spürte, der Außenwelt anzugehören brauchte.
    Er litt großes Bangen, weil er über diese Sache nicht im reinen war. Was wußten die drei Verworfenen? … Und was mochte gestern noch geschehen sein, nachdem Unrat selbst aus den Vorgängen ausgeschieden war? Waren sie zurückgekehrt in den Blauen Engel? War Lohmann in das Kabuff zurückgekehrt? … Die Künstlerin Fröhlich hatte geweint; es war möglich, daß sie sogar schon geschlafen hatte. Aber Lohmann hatte sie vielleicht aufgeweckt? … Unrat schmachtete danach, Lohmann die allerschwierigste Stelle zu erklären zu geben. Aber er wagte es nicht.
    Lohmann, Graf Ertzum und Kieselack betrachteten ihn unablässig. Kieselack hatte dabei sehr wohl ein Gefühl für das Spaßige, Ertzum für das Erniedrigende, Lohmann für das Armselige in alledem; aber davon unabhängig berührte alle drei eine Art Grauen, eine gewisse schreckliche Weihe durch ihr dunkles Einverständnis mit dem Tyrannen.
    Im Schulhof, während der Pause, lehnte sich Lohmann gegen die sonnige Mauer, verschränkte die Arme und hörte innerlich, wie gestern an der rauchigen Saalwand, sein Unglück erklingen in seinen Versen. Ertzum trat wie von ungefähr heran und fragte unterdrückt: »Auf dem Tisch lag sie und schlief? Das kann doch nicht sein, Lohmann.«
    »Wenn ich dir sage, daß sie schnarchte. Er hat sie betrunken gemacht.«
    »Der Gauner! Sobald ich ihn noch mal –!«
    Ertzum schämte sich, seine Prahlerei zu beenden. Er knirschte stumm im Joch der Schule. Mehr Abscheu als Unrat machte ihm seine eigene Ohnmacht. Er war Rosas nicht würdig! …
    Kieselack drückte sich, im Hin und Her der Schüler, an den zwei Mitwissern vorbei und wisperte hinter der Hand,

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