Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen
Künstlerin Fröhlich gemacht!«
Die Frau sagte, ohne sich aufzuregen: »Sie werden jetzt überhaupt so komisch.«
Sie machte die Tür auf, kehrte sich nochmals um: »Von Ihnen wird doch keiner satt.«
Und im Abgehen: »Und glücklich auch nicht.«
Darauf errötete Unrat wolkig. Die Künstlerin Fröhlich lachte.
»Er kommt nu mal nich drauf«, erklärte sie, obwohl sie mit ihm ganz allein war. Und weiter teilten sie sich nichts mit.
Sooft aber die dicken Leute sich zeigten, schwoll Unrat von Streitsucht. Er behandelte sie schon längst mit Strenge. Je wichtiger sich die Künstlerin Fröhlich in seinem Bewußtsein ausbreitete, je stärker er seinen Schutz um sie legte, und je einsamer er sie der Menschheit entgegenstellte: desto weniger Platz war auf den Stühlen der Garderobe für die Röcke der dicken Frau und für Kieperts Trikots. Er verdachte ihnen den Beifall, den sie ernteten, und ihre lärmende gute Laune. Er verwies den Artisten nach einer turnerischen Produktion aus der Garderobe, weil er zu sehr schwitze und dies in Gegenwart einer Dame, wie der Künstlerin Fröhlich, sich nicht zieme. Kiepert trollte sich gutmütig, indes er vermutete: »Sie is woll von Butter, daß die Gerüche in sie einziehn?«
Seine Frau war leicht verletzt, aber sie lachte und stieß Unrat an. Er wischte sich den Ärmel ab. Darauf war sie wirklich beleidigt.
Die Künstlerin Fröhlich kicherte dazu. Sie konnte unmöglich anders, als sich geschmeichelt fühlen. Die beiden Dicken ärgerten sie ohnehin mit ihrem immer erfolgreichen Flottenlied. Unrat behauptete wiederholt, eine Künstlerin sei nur sie. Er reizte, ein naiver Intrigant, ihre Eifersucht und zog sie näher an sich, dadurch, daß er sie dazu verführte, aller Welt Geringschätzung zu zeigen; dadurch, daß er sie nötigte, sich auf ihn zu stützen, als ihren unbedingten Ritter. Die allertiefste Verachtung verlangte er von ihr für den Saal voll Menschen, um deren Beifall sie sich abarbeitete, und für jeden einzelnen Zuschauer, dem sie gefallen hatte. Er haßte die dicke Frau besonders deshalb, weil sie immer Nachrichten aus dem Saal mitbrachte von Eindrücken, die die Künstlerin Fröhlich darin hinterlassen hatte.
»Wie! Wäre es möglich!« rief er aus. »Jener Mensch also nun erkühnt sich, den Mund zu öffnen? Derselbe Meyer, der mit neunzehn Jahren das Ziel der Klasse noch nicht erreicht hatte und endlich sich genötigt sah, dreijährig zu dienen!«
Die Künstlerin Fröhlich verbarg unter einem Lächeln ihre Verlegenheit darüber, daß ihr der untergeordnete Meyer nicht mißfiel. Sie wünschte sich, er möge ihr mißfallen. Sie war gelehrig von Natur und empfänglich dafür, daß ein Mann vom geistigen Stande Unrats sie erzieherischer Eingriffe würdigte. Es geschah ihr zum erstenmal. Der dicken Frau, die noch ein Wort zugunsten Meyers versuchte, fuhr sie aufgebracht über den Mund.
Andere Male kitzelte sie Unrat mit Blumen unter der Nase.
»Die angefressene Rose ist von dem kleinen Dicken da gleich hinterm Klavier.«
»Kindchen«, versetzte die Frau, »das ist ja der Zigarrenfritze vom Markt. ’n feiner Mann. Kiepert käuft bei ihm. ’n großartiges Geschäft.«
»Was sagt Unrat nu?« fragte die Künstlerin Fröhlich.
Unrat sagte, dieser Schüler sei einer der Schlimmsten gewesen, und als Geschäftsmann könne er auch nicht viel taugen; denn er stelle ihm keine Rechnung aus, ohne seinen Namen das erste Mal mit einem falschen Buchstaben anzufangen. Die Frau meinte, das machte nichts. Unrat log, der Mann gelte für geschäftlich unsicher. Die Künstlerin Fröhlich, die ihn Feuer spritzen sah, drehte sich in den Hüften und roch an der angefressenen Rose.
»Sie haben auch an all und jedem was auszusetzen«, bemerkte die Frau. »Was wollen Sie da eigentlich mit, können Sie uns das woll erzählen?« Und da Unrat schwieg: »Sie selber stellen hier doch weiter nischt an.«
»Nee, er kommt auf nischt«, und die Künstlerin Fröhlich schlug sich aufs Knie, indes Unrat sich rosig bewölkte.
»Dann müssen Sie ihn alleine klugreden lassen«, verlangte die Frau, »und sich mit die Dümmern begnügen, die sind auch was wert, und wenigstens das Einfachste fällt ihnen manchmal ein. Sie verstehn, Rosachen. Ich hab doch meine Gründe, nicht wahr, daß ich Ihnen so ’n Rat gebe, und ewig kann ich auch nich warten.«
Darauf ging sie, um mit Kiepert das Flottenlied zu singen. Die Künstlerin Fröhlich blieb in weinerlicher Erbitterung zurück.
»Herrgott, die
Weitere Kostenlose Bücher