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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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keine Lachlust verspürte, und weil eine kleine feierliche Wallung ihr Herz aufhob.
    Sie erschloß einen ungewöhnlich dunklen Blick und sagte: »Na, nu gehn Sie man voraus. Die Affen im Saal brauchen es ja nich gleich zu merken.«

X
    Kieselack öffnete von außen die Saaltür, führte seine blaue Pfote an den Mund und stieß einen gedämpften Pfiff aus. Sofort kamen Ertzum und Lohmann heraus.
    »O Mensch, lauf!« rief Kieselack jedem zu und tanzte rückwärts, mit anfeuernden Gesten, vor ihnen her, bis ans Ende des Hausflurs und der Treppe zu.
    »Nu is es soweit!«
    »Was ist soweit?« fragte Lohmann gleichgültig – obwohl er es genau wußte und darauf gespannt war.
    »Sie sind schon oben«, raunte Kieselack, mit ganz verrenktem Mund. Er zog sich die Schuhe aus und schlich die flache, gelbgeländerte Holztreppe hinan, die knarrte. Gleich auf dem ersten, niederen Absatz war die Tür: Kieselack kannte sie. Er duckte sich vors Schlüsselloch. Nach einer Weile winkte er, stumm und leidenschaftlich, ohne sich vom Schlüsselloch zu trennen.
    Lohmann zuckte die Achseln und blieb am Fuß der Treppe stehn neben Ertzum, der mit offenem Mund hinaufstarrte.
    »Nun, wie ist dir?« fragte Lohmann verständnisvoll.
    »Ich weiß bei Gott nicht mehr, was los ist«, sagte von Ertzum. »Du glaubst doch nicht, daß da was passiert? Dieser Kieselack ulkt natürlich.«
    »Natürlich«, bestätigte Lohmann mitleidig.
    Kieselack winkte immer wilder. Er kicherte lautlos in das Schlüsselloch hinein.
    »Sie muß sich doch sagen«, bemerkte Ertzum, »daß ich diesen Menschen niederschlagen kann.«
    »Schon wieder? … Übrigens, das macht ihr die Sache vielleicht reizvoller.«
    Von Ertzum kam nicht mehr mit. Sein Begriff von Liebe war ein für allemal geprägt durch die Kuhmagd, die ihn vor drei Jahren daheim ins Gras geworfen hatte, nachdem er über einen starken Viehjungen Sieger geblieben war … Hier war nun ein hochschulteriger Schwächling; und Rosa Fröhlich glaubte doch wohl nicht, daß Ertzum ihn fürchtete?
    »Sie glaubt doch wohl nicht, daß ich ihn fürchte?« fragte er Lohmann.
    »Fürchtest du ihn etwa nicht?« fragte Lohmann.
    »Das sollst du sehn!« Und Ertzum, aufgereckt, tat zwei Sätze, über sechs Stufen.
    Aber Kieselack, der das Schlüsselloch losgelassen hatte, vollführte auf Socken einen Triumphtanz. Plötzlich anhaltend: »O Mensch!« wisperte er, und seine Augen funkelten in seinem käseblassen Gesicht. Ertzum war feuerrot und keuchte. Ihre Blicke maßen sich, kämpften. Ertzum verlangte mit seinem: dies sollte nicht wahr sein. Kieselack antwortete mit dem dünnen Hohn eines Lidwinkels, der ein bißchen zuckte … Und auf einmal sank Ertzum in ebensolche Blässe wie der andere, beugte sich über sich selbst, als habe er einen Stoß vor den Magen bekommen, und stöhnte auf vor Schmerz. Er tastete sich wankend die sechs Stufen wieder hinunter. Lohmann empfing ihn mit verschränkten Armen, den Mund in lebensfeindlichen Falten. Ertzum ließ sich wie einen Sack auf die unterste Stufe fallen und nahm den Kopf in die Hände. Nach einem Schweigen, dumpf, von unten: »Lohmann, faßt du das? Ein Weib, das ich so hochgestellt habe! Ich glaub noch immer, der Ekel, der Kieselack, macht faule Witze. Dann gnad ihm Gott! … Ein Weib, das so, so viel Seele hat!«
    »Auf Seele kommt es bei dem, was sie momentan betreibt, nicht eben an. Sie handelt schlicht weiblich.«
    Lohmann lächelte grausam. Er zog durch dieses Wort Dora Breetpoot in den Schmutz neben die andere – Dora Breetpoot, die erste der Frauen. Wie er das genoß!
    »Aber Kieselack ist wieder am Schlüsselloch …«
    Lohmann erhielt Ertzum, der den Kopf wegdrückte, auf dem laufenden.
    »Kieselack winkt schon ziemlich heftig … Dieser Unrat ist – Ertzum, wir gehen vielleicht weiter?«
    Er raffte seinen Freund vom Boden und zog ihn nach dem Haustor. Draußen wollte Ertzum nicht mehr vom Fleck; er lehnte sich, schwer und stumpf, an das Haus seiner Enttäuschungen. Lohmann redete eine Zeitlang vergeblich. Er drohte mit Weggehn; da erschien Kieselack.
    »Ihr seid auch öde Kerls. Was kommt ihr denn nich rein. Unrat is schon drin mit seiner Braut. Ich hab im Saal Bescheid gesagt, wo sie herkommen, da sind sie mit ’n großen Juchhe empfangen. Du, so was lebt nicht mehr: sie sitzen im Kabuff und sind zärtlich. Ich lach mich tot! Komm, nu ziehn wir drei Mann hoch ins Kabuff.«
    »Du bist wohl –«, machte Lohmann.
    Aber Kieselack meinte seinen Vorschlag

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