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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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über sich selbst: warum sie sich stolz fühlte auf ihn, den sie lächerlich fand.
    Die dicke Frau überwand ihr Übelwollen und legte Unrat die Hand auf die Schulter.
    »Nu hören Sie mal zu«, sagte sie.
    Unrat wischte sich die Stirn, halb abgewendet und völlig besänftigt. Die Panik des Tyrannen, der einer Widersetzlichkeit durch kopfloses Wüten begegnet, sie ließ ihn wieder einmal ziemlich erschöpft zurück.
    »Also da aus der Tür geht Kiepert, und da is die Rosa, und da sind Sie, und hier bin ich …«
    Mit eindringlicher Stimme hielt sie ihm die Wirklichkeit vor.
    »Und denn war da noch der Schiffskapitän, den Sie rausgesetzt haben. Der kommt nämlich aus Finnland und hat ’n glänzendes Geschäft gemacht, weil ihm nämlich sein Schiff untergegangen is, und es war versichert … Sie haben woll kein Schiff versichert? Nu, das muß ja auch nich sein. Dafür haben Sie andere Geistesgaben. Sie müssen sie bloß mal sehen lassen, das is allens, was ich sag … Da is also nu die Rosa. Sie verstehn? Der Kapitän hat Geld, is ’n ansehnlicher Mann und gefällt dem Mädchen.«
    Unrat blickte verstört auf die Künstlerin Fröhlich.
    »Is ja gar nich wahr«, machte sie.
    »Sie haben es doch selbst gesagt.«
    »Gott, kann sie lügen.«
    »Leugnen Sie doch mal, daß Ihnen der eine Schüler von Herrn Professor, der mit der schwarzen Locke auf die Augen, daß der Ihnen ’n ganz ernsten Antrag gemacht hat.«
    Unrat fuhr wild auf. Die Künstlerin Fröhlich beschwichtigte ihn.
    »Das is ja ’n böswilliger Irrtum. Heiraten will mich bloß der Rote, der aussieht wie ’n besoffener Mond. ’n Graf is er, aber was hab ich davon, ich mag ihn doch nich …«
    Sie lächelte Unrat zu, kindlich.
    »Na meinswegen hab ich gelogen«, sagte die Frau. »Aber das stimmt doch woll, daß Sie mir zweihundertsiebzig Mark schulden, was’chen, Rosachen? Sehn Sie, Herr Professor, man is sonst nich so, und ich beiß mir lieber ’n Finger ab, als daß ich das in Ihrer Gegenwart zur Sprache bring. Aber schließlich is man sich selbst der Nächste, is doch wahr. Und dafür, daß Sie hier alle andern rausschmeißen, Herr Professor, sein Sie man nich böse, dafür bieten Sie nich genug. Von ’s Geld will ich nich mal reden; aber so ’n junges Ding will auch Liebe und kann sie woll beanspruchen. Da merkt man bei Ihnen gar nichts von, Sie kommen einfach nich drauf. Ich weiß nicht mal, ob ich das peinlich finden soll oder lachhaft.«
    Die Künstlerin Fröhlich rief: »Wenn ich selber nischt sage, kann es Ihnen auch recht sein, Frau Kiepert.«
    Aber die dicke Frau wehrte ab; sie hatte das Bewußtsein, für Moral und Sitte ein vernünftiges Wort eingelegt zu haben; und sie schritt erhobenen Hauptes hinaus.
    Die Künstlerin Fröhlich rückte die Schultern.
    »Sie is ja nur ungebildet, aber gutmütig. Na laß ihr. Wenn Sie nu man nich glauben, daß ich mit ihr unter einer Decke steck und Sie bloß rankriegen will.«
    Unrat sah vom Boden auf. Nein, diese Vermutung hatte ihm ferngelegen.
    »Überhaupt steck ich mit keinem unter einer Decke …«
    Sie lächelte von unten, spöttisch und schüchtern.
    »Nich mal mit Ihnen …«
    Nach einer Pause: »Das is doch wahr?«
    Sie mußte mehrmals fragen. Unrat merkte nichts von der Brücke, die ihre Worte ihm bauten. Nur von der entstandenen Stimmung fühlte er sich umfangen, daß ihm schwül ward.
    »Mag’s denn sein …«, versetzte er und streckte zitternde Hände aus nach der Künstlerin Fröhlich. Sie überließ ihm die ihrigen. Ihre kleinen Finger, ein wenig grau und fettig, schlüpften weich zwischen seine Knöchel. Ihr Haar, ihre Stoffblumen, ihr buntes Gesicht drehten sich ihm als ein farbiges Rad vor den Augen. Er kämpfte sich durch.
    »Sie sollen der Frau kein Geld schulden. Ich bin entschlossen –«
    Er schluckte hinunter. Es fiel ihm mit Schrecken ein, der Schüler Lohmann möchte ihm in seinem Entschluß zuvorgekommen sein: der Schüler Lohmann, der in der Klasse fehlte und sich vielleicht im Zimmer der Künstlerin Fröhlich verborgen hielt.
    »Ich will Ihnen – traun fürwahr – Ihre Wohnung bezahlen.«
    »Davon reden wir mal gar nich«, erwiderte sie leise. »Das is bei uns Nebensache … Übrigens kost mein Zimmer nich viel …«
    In Pausen: »Es is hier oben im Haus … Es is ganz schön … Wollen Sie es mal sehn?«
    Sie hielt die Lider gesenkt und sah bestürzt aus, wie man bei der Erklärung eines ernsten Mannes aussehen mußte. Und sie wunderte sich, weil sie gar

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