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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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beeinträchtigen.
    Kieselack war sich aber bewußt, durch ganz andere Mittel als Manneswürde seinerzeit bei der Künstlerin Fröhlich das Ziel der Klasse erreicht zu haben. Er rieb sich das Gesäß und plärrte, während er heftig nach seiner Nasenspitze schielte: »Großmutter haut mich, wenn ich mein Thèmeheft nicht wiederfind. Es is mir so gewiß hier in ’n Kabuff untern Tisch gefallen.«
    Und er ließ sich ganz plötzlich daruntergleiten, griff der Künstlerin Fröhlich an die Beine, raunte ihr in dem Geschrei, das die Kieperts unterhielten, aus der Tiefe seine Forderungen zu. Widrigenfalls verrate er alles an Unrat.
    »Kleine Rotztulpe«, sagte sie bloß hinab und stieß ihn mit dem Fuß beiseite.
    Zugleich redete Unrat den zweiten Schüler an.
    »Nun also, von Ertzum – immer mal wieder. Sie erwecken durch Ihren Gesichtsausdruck den Anschein, als bewähre sich Ihre Fassungsgabe hier ebenso mangelhaft wie in der Klasse. Sind nicht Sie es, der – aufgemerkt nun also! – der Künstlerin Fröhlich einen Heiratsantrag zu machen sich unterfangen hat? … Ihrem einfältigen Glotzen entnehme ich bereits die Antwort. Drum denn, von Ertzum, die Künstlerin Fröhlich hat Sie über die einem Schüler gesetzten Grenzen belehrt. Ich brauche dem nichts hinzuzufügen. Stehen Sie einmal auf –«
    Ertzum stand gehorsam auf. Denn Rosa lachte; und ihr Lachen nahm ihm die letzte Kraft, sich zu empören, und den Rest seines Selbstbewußtseins; es lähmte ihn.
    »– und lassen Sie einmal sehen, ob Ihr vertrauter Verkehr im Blauen Engel Sie, der Sie bekanntlich zu den Schlechtesten gehören, etwa dahin bringt, daß Sie die von der Schule an Sie gestellten Anforderungen nicht nur nicht befriedigen, sondern dieselben leichten Herzens in den Wind schlagen. Sagen Sie die für morgen aufgegebenen Gesangbuchverse her!«
    Ertzums Augen irrten aufgerissen durchs Zimmer. Seine Stirn war naß. Er fühlte sich im Joch, senkte den Kopf, zog an:
    »Sollt ich meinem Gott nicht singen?
    Sollt ich ihm nicht fröhlich sein?
    Denn ich seh in allen Dingen,
    Wie so gut er’s mit mir mein’.«
    Hier begann Rosa zu kreischen. Auch Frau Kiepert gluckste, gutmütig. Rosa aber kreischte, mit der Absicht, Ertzum zu beleidigen; und sie kreischte weich, aus Zärtlichkeit für Unrat, dessen Arm sie drückte, und um ihm zu schmeicheln, ihn zu belohnen für seine Herrschaft über den vierschrötigen, roten Menschen, der in ungelenkem und untertänigem Ton seine frommen Reime hersagte.
    Von Ertzum versetzte noch:
    »Ist doch nichts als lauter Lieben,
    Das sein treues Herze hegt …«
    Da ward ihm das Betragen des Artisten zu toll. Kiepert hatte die Situation erst eben zu schmecken begonnen. Jetzt aber brüllte er Ertzum ins Gesicht und schlug sich dabei aufs Knie.
    »Nee Sie, aber Sie! Was reden Sie denn? Ihnen is woll schlecht geworden?«
    Er zwinkerte Unrat zu, gab zu verstehen, daß er den Grafen Ertzum, der im Hinterzimmer des Blauen Engels Gesangbuchverse hersagte, zu schätzen wisse und sich diesem Witz auf Adel und Religion mit Überzeugung anschließe. Er öffnete die Tür und tat, als bestellte er bei dem Klavierspieler einen Choral. Schließlich stimmte er selbst ihn an … Doch Ertzum hörte auf.
    Zwar hätte er gar nicht weitergewußt. Davon aber abgesehen, würgte ihn plötzlich eine maßlose Wut auf den dicken, lachenden, singenden Mann. Es verschwamm ihm vor den Augen. Er meinte nicht mehr leben zu können, außer mit seinen beiden Fäusten an diesem Menschen, mit seinen beiden Knien auf Kieperts Brust. Er zuckte ein paarmal auf seinem Platze; er hob die geballten Hände vor die Schultern … Er stürzte los.
    Der Athlet war atemlos vom Lachen und auf nichts gefaßt: das setzte ihn in Nachteil gegen den tiefernsten Ertzum, der aufblühte, während er seinen Muskelhunger stillte. Sie rollten von einem Winkel in den andern. Ertzum vernahm inmitten des Gepolters einen leisen Ausruf Rosas. Er wußte, sie sah auf ihn; und darum atmete er mächtiger; preßte die Gliedmaßen seines Gegners härter zwischen den seinigen; fühlte sich glücklich erlöst und an seinem richtigen Platz, da er unter ihren Augen kämpfen konnte, wie damals mit dem Viehjungen um die Kuhmagd.
    Inzwischen hatte Unrat, ohne dem Ringkampf ein mehr als flüchtiges Interesse zuzugestehen, sich an Lohmann gewandt.
    »Was ist denn nun aber mit
Ihnen,
Lohmann? Da sitzen Sie und rauchen – immer mal wieder – eine Zigarette; und heute morgen in der Klasse haben Sie

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