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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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fängt an, mich zu beschäftigen: er ist eigentlich eine interessante Ausnahme. Bedenke, unter welchen Umständen er handelt, was er alles gegen sich auf die Beine bringt. Dazu muß man ein Selbstbewußtsein haben, scheint mir – ich für meine Person brächte so eines nicht auf. Es muß in einem ein Stück Anarchist stecken …«
    Dies alles reichte weiter, als von Ertzum reichte. Er brummte etwas.
    »Wie?« machte Lohmann. »Nun ja. Die Szene im Kabuff war widerlich. Aber sie hatte etwas widerlich Großartiges. Oder, wenn du lieber willst, etwas großartig Widerliches. Aber großartig war dabei.«
    Ertzum hielt sich nicht mehr.
    »Lohmann, war sie wirklich nicht rein?«
    »Nun, jetzt ist sie jedenfalls bedeckt mit Unrat. Da siehst du auch von ihrem Vorleben besser ab.«
    »Ich hielt sie für rein. Mir ist überhaupt wie im Traum. Du wirst lachen, Lohmann, aber ich könnte mich erschießen.«
    »Wenn du es wünschest, lache ich.«
    »Wie soll ich darüber hinwegkommen. Hat schon mal einer das erlebt? Sie stand mir so hoch, ich habe eigentlich, wenn ich es genau bedenke, nie gehofft, sie zu erlangen. Du erinnerst, in welcher Aufregung ich neulich war, als ich das Hünengrab kaputtmachte. Übermut war das nicht; ich will nur ganz aufrichtig sein. Es war bloße Angst vor der Entscheidung. Ich hätte mich, Gott weiß es, gewundert, wenn sie mit mir gekommen wäre. Wie konnte ich mir das einbilden: sie hat ja viel zuviel Seele für mich … Und als dann der Würfel gefallen war –«
    Lohmann musterte ihn von der Seite. Ertzum mußte in einem unerhörten Zustand sein, um von gefallenen Würfeln zu sprechen.
    »– da war ich allerdings ein verzweifelter Mensch, das darf ich wohl sagen. Aber das war ’ne Wohltat, verglichen mit heute. Verstehst du denn überhaupt, Lohmann, wie tief sie jetzt gefallen ist?«
    »Bis zu Unrat!«
    »Denke nur! Da gehört sie doch nicht hin. Sie ist doch rein. Oder aber sie wäre das Letzte der Weiber.«
    Lohmann gab es auf. Ertzum war nun einmal viel daran gelegen, daß die Rosa Fröhlich auf einem unzugänglichen Wolkenthron sitze. Offenbar brauchte er es so. Er machte seinem dümmeren Selbst weis, daß er sich auf die Rosa Fröhlich niemals wirkliche Hoffnung angemaßt habe. Zweck des Selbstbetrugs war, daß um so weniger Unrat aus seinem Pfuhl heraus nach ihr gelangt haben könne. Die Lebenserfahrung, die das Gesicht einer Kuhmagd trug, blieb dahinten; und ein hochgespannter Träumer entstieg dem roten Landjunker: denn es brachte Vorteil für Ertzums Eigenliebe … So war der Mensch, meinte Lohmann.
    »Und wenn ich mich nun frage, warum«, sagte Ertzum noch, »da find ich wirklich keine Erklärung. Ich hab ihr alles geboten, was ihr ein Mensch nur bieten kann … Daß sie mich liebte, das konnte ich, ehrlich gesagt, allerdings kaum hoffen. Sie hat mich ja nicht besser behandelt als dich! Warum wohl auch grade mich! … Aber statt dessen Unrat? Glaubst du das, Mensch? Unrat?!«
    »Die Frauen sind unfaßbar«, erklärte Lohmann und versank in Sinnen.
    »Ich kann es nicht glauben. Ich glaube, er hat ihr schwindelhafte Vorspielungen gemacht; er wird sie noch ins Unglück bringen.«
    Und Ertzum dachte hinzu: ›Vielleicht … dann …‹
    Da überholte Kieselack die beiden. Er schlich schon seit einer Weile hinter ihnen her. Er verkündete gellend: »So blau. Unrat hat zehn Mark geblecht, ich hab es ja durchs Schlüsselloch gesehn.«
    »Du lügst – Schwein!« brüllte Ertzum und brach los gegen den Kleinen.
    Aber Kieselack hatte dies vorausgesehen und war im Nu über alle Berge.

XI
    Kieselack hatte gelogen. Unrat war weit entfernt, der Künstlerin Fröhlich Geld anzubieten: nicht aus Feingefühl; auch nicht aus Geiz; sondern – sie durchschaute dies – weil er nicht darauf kam. Es kostete sie viele Andeutungen, bis er sich wieder der Wohnung erinnerte, die er ihr hatte nehmen wollen. Als er dann davon sprach, sie in ein möbliertes Zimmer zu stecken, verlor sie die Geduld und verlangte bündig eine eigene Einrichtung. Unrat war tief erstaunt.
    »Da du jedoch mit dem Ehepaare Kiepert zusammen zu wohnen pflegst …«
    Sein Geist war auf Erhaltung gerichtet; in so durchgreifende Umwälzungen mußte er sich erst hineindenken. Er arbeitete angestrengt.
    »Wenn aber – aufgemerkt nun also! – das Ehepaar Kiepert die Stadt verläßt?«
    »Un wenn ich nich mitwill?« ergänzte sie. »Was tu ich denn woll?« Er war ratlos.
    »Nu? Unratchen? Nu?«
    Sie hüpfte ihm vor den Füßen

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