Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
Vom Netzwerk:
bezwungen und ihrem alten Unrat mit einem süßen Schaudern fester verbunden grade durch sie, durch diese Leidenschaft, durch diese gewalttätige und gefährliche Sache.

XIV
    Sogar einige noch in der Zucht der Schule lebende Schüler mischten sich unter die Unratschen Gäste. Einer von ihnen, ein langer, semmelblonder, verlor auffallende Summen. Ende der Saison, an einem Sonnabend, schon im Frühling, sah Unrat auf der Schwelle den Oberlehrer Hübbenett stehn, seinen Feind, der sich über Unrats Sohn gehässig ausgelassen und vor Unrats eigener Klasse von »sittlichem Unrat, vielmehr Kot« gesprochen hatte. Nun stand er da, mannhaft aufgereckt, und Unrat lächelte ihm giftig entgegen. Er hatte den Kollegen erwartet; denn der Schüler Hübbenett spielte viel zu hoch; es mußte in diesem Oberlehrerhause etwas nicht sein, wie es sollte.
    Hübbenett schritt krebsrot auf seinen Sohn los und forderte den ganz Zusammengesunkenen auf, ihm zu folgen. Er fügte laut und an niemand gerichtet hinzu, daß er Schritte tun werde zur Beseitigung von Zuständen, wie die hier von gewissenlosen Abenteurern ins Leben gerufenen; Zuständen, die auf die Versuchung und Verführung schwacher junger Menschen berechnet seien; Zuständen, die vermittelst beraubter väterlicher Kassen und durch andere, aus Blut und Kot zusammengeknetete Mittel aufrechterhalten würden.
    Ein Offizier drückte sich eilig hinaus. Ein sehr beunruhigter Festteilnehmer machte sich an den erbitterten Oberlehrer heran und stellte ihm eindringlich vor, wie unklug es sein würde, Lärm zu schlagen. Er halte die Versammlung hier für unlauter? Er solle sich doch erst ihre Zusammensetzung ansehn. Er wisse wohl gar nicht, wer der melierte Herr am Spieltisch gleich beim Fenster sei? Das sei nämlich Konsul Breetpoot. Und wer wende sich dort stirnrunzelnd nach Hübbenett um? Kein anderer als Polizeirat Flad. Ob Hübbenett wirklich gut abzuschneiden hoffe bei einem Ansturm gegen bestehende Dinge, an denen solche Herren interessiert seien.
    Hübbenett hoffte es nicht: man sah es ihm an. Er redete zwar noch einiges Catonische, aber mit abschwellender Stimme; und dann trat er den Rückzug an. Es achtete schon niemand mehr auf ihn. Nur Unrat, siegstrahlend, schlich behende hinterher, bot dem Kollegen eine Erfrischung an und rief, als der andere durch einen Ruck mit den Schultern sittlichen Abstand feststellte, ihm herzlich nach, sein Haus bleibe Hübbenett Vater und Sohn stets weit geöffnet.
     
    Dann kam wieder die Badezeit. Diesmal ging ein ganzer Wirbelwind von Lebewelt im Gefolge Unrats über den kleinen Küstenort hin. Unrats nahmen eine möblierte Villa. Auf demütig biedere Sofas legten sie gestickte japanische Seidendecken, dem Tisch davor gaben sie eine Roulette zu tragen, in Gläser mit »Gruß von der Wasserkante« gossen sie Sekt. Nachdem die neue »Rotte Unrat« die Nacht hindurch gespielt und allen Ausgelassenheiten sich ergeben hatte, verfügte sie sich an den Strand, um die Sonne aufgehen zu sehen; oder, wenn es Sonntag war, frühstückte sie zum Morgenchoral der Kurkapelle. Andere Nächte wurden außer Hause verbracht. Kraft des Ansehens ihrer zahlungsfähigen Begleiter erzwang die Künstlerin Fröhlich es, daß die Strandrestauration und das Café, die längst geschlossen waren, sich ihr zu jeder beliebigen Stunde wieder öffneten.
    Sie war unerschöpflich. Sie trieb Tag und Nacht das Rudel ihrer Verehrer in allen Richtungen umher, warf dem einen Stock zum Wiederholen dorthin und jenem nach der andern Seite einen verheißungsvollen Knochen: alles unter listigem Geblinzel auf Unrat, der sich die Hände rieb. Sie verlangte jeden auf die Probe zu stellen. Einem – es war ein rosiger, fetter Mensch – legte sie auf, er solle gleich nach dem Diner – es umfaßte sechs Gänge – hinüberschwimmen bis zur Sandbank.
    »Menschenskind, Sie kriegen ja ’n Schlag«, sagte ein ziemlich Nüchterner. Und die Künstlerin Fröhlich: »Wer hier ’n Schlag kriegen will, den kann ich überhaupt nich brauchen, der soll sich nur dünnmachen. Was meinst du, Unratchen?«
    »Ei freilich«, sagte Unrat, »der soll sich dünnmachen.«
    Er setzte hinzu: »Der Schüler Jakobi war ja von jeher recht gewandt in den Leibesübungen. So ist er noch nach seinem Abgang von der Schule über die Hofmauer geklettert, um in das Fenster eines Klassenzimmers im untern Stockwerk, wo ich eben Unterricht erteilte, mittels eines Schlauches den Gestank saurer Schafsmilch zu leiten. Mehrere Tage

Weitere Kostenlose Bücher