Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen
lang war die Luft des Raumes nicht davon zu säubern. Von einem solchen nun ist es wahrlich zu hoffen, daß er auch ein braver Schwimmer sei.«
Diese Rede erhielt viel Beifall, und der junge Mann entschloß sich, inmitten eines Gelächters.
Alle waren am Strande, wie er aus seiner Kabine trat, und wetteten auf ihn. Wie war er rosig und fett! Auf halbem Wege mußte er in das begleitende Boot gefischt werden und lag am Lande noch immer bewußtlos.
Die Wiederbelebungsversuche erregten große Teilnahme. Einige, die ihre erste Wette verloren hatten, wollten durch eine zweite, auf Jakobis Wiedererwachen oder Tod, den Verlust wiedergutmachen. Die Damen wurden von der Spannung arg mitgenommen; es erfolgte ein hysterischer Anfall. Als der Verunglückte sich nach fünfzehn Minuten noch nicht regte, wurden manche still und entfernten sich. Unrat blieb.
Er sah in das schlaffe, blutleere Gesicht des Schülers Jakobi und rief es sich zurück, wenn es höhnisch und aufrührerisch gewesen war. Das waren die. Da lagen sie und waren besiegt: gründlich besiegt. Darüber hinaus gab es keinen Sieg mehr und keine Züchtigung. Eine leichte Bauchbeklemmung empfand er dabei. Der Triumphweg unter ihm geriet wieder etwas ins Schwanken. Dem Tyrannen schwindelte es auf seinem wahnsinnigen Gipfel …
Aber Jakobi öffnete die Augen.
Sehr ungehalten äußerten sich über den Vorgang die beiden Hamburger, der Brasilianer und der Leipziger. Bei ihnen war es zwar persönliches Gekränktsein, denn sie bedeuteten nichts mehr. Sie begriffen nicht, was geschehen war. Statt des immerhin gutmütigen Mädels vom Vorjahr fanden sie nun eine Künstlerin Fröhlich, die das frech Gebieterische einer wirklichen Schönheit angenommen hatte, und der, ganz als sei sie es, von allen Seiten gefrondet ward. Und dabei war sie’s doch nicht: die Freunde vom vergangenen Sommer fanden den Schwindel lächerlich. Aber täglich erlagen sie ihm selbst ein wenig mehr. Der Brasilianer versuchte die ersten Tage noch, bei den Vertraulichkeiten von früher wieder anzuknüpfen; dann lernte er ein mutloses Schmachten von fern.
Die Nächsten am Ziel waren Assessor Knust und Oberlehrer Richter; denn sie hatten am meisten zu bieten. Der eine war der gesuchteste Junggeselle der Stadt; der andere war verlobt. Die Künstlerin Fröhlich blieb lange unschlüssig. Knust war der ansehnlichere, aber bei Richter wäre die Tragweite des Geschehnisses bedeutender gewesen. Seine Braut reizte sie, denn einzig diese kleine Person hatte es unternommen, hier im Seebad die Toiletten der großen Künstlerin Fröhlich zu besiegen.
Von Knust verlangte sie, er solle auf den ersten Herrn, dessen Namen sie am nächsten Mittwoch zufällig aussprechen werde, losgehn und ihn ohrfeigen. Knusts behäbiges Weingesicht schmunzelte, und er sagte, er sei ja nicht verrückt. Mit ihm sei sie fertig, erklärte sie darauf; und einer, der an sie gewisse Ansprüche stelle, der müsse für sie zu allem imstande sein, aber auch zu allem.
Richter war es: so sehr hatte ihn sein Bräutigamsstand schon angegriffen. Eines Nachmittags während der Kurmusik erlebte man es, daß er inmitten einer lärmenden Kavalkade auf einem Esel gemeinsam mit der Künstlerin Fröhlich, hinter ihr auf dem Sattel und betrunken an sie geklammert, vorbeigaloppierte, die Reihen der Kaffeetrinker entlang, in deren vorderster seine Braut saß.
Gleich nach dem Abendessen erhob sich die Künstlerin Fröhlich, nahm Unrat und Richter an ihre beiden Seiten und verkündete mit einem kleinen süßen Stimmchen, heute wolle sie früh schlafen gehn. Man geleitete sie in Prozession, mit bunten Papierlaternen, an ihr Haus; und einige Herren stimmten unter dem Balkon ein Ständchen an. Als alles still war, rief Unrat, schon halb entkleidet, nach seiner Frau. Er meinte, sie sei auf dem Balkon. Nein. Er suchte und rief; er wollte mit ihr frohlocken, weil nun auch des Kollegen Richter Geschick sich erfüllt hatte und seine fernere Laufbahn in der erfreulichsten Weise bedroht war. Aber in den leeren Zimmern verpuffte sein Jubel. Es ward ihm beklommen.
Ihre Launen kannte er doch, und sie war natürlich noch an die See gegangen. Unrat setzte sich an das vergitterte Bettchen des Kindes und vertrieb die Mücken.
Wieder so ein einfältiger Mensch, der sich zu dieser Stunde von der Künstlerin Fröhlich zum Narren machen ließ; der ein wenig Mondschein eintauschte gegen seine Bracelets und silbernen Necessaires. Unrat ging inzwischen zu Bett … Aber in
Weitere Kostenlose Bücher