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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Fatzken könnten allein zu den Wilden. Heute mittag solle es bloß Suppenfleisch geben, obwohl allerdings ’ne Gans schon überm Feuer sei; und zu Abend Schlackwurst, und sie wolle nun auch wieder Griechisch lernen, weil das noch das Billigste sei. Unrat war gerührt, er versicherte, er kenne – freilich denn nun – seine Pflicht, der Künstlerin Fröhlich alles zu beschaffen, dessen sie benötige.
    »Ach ja«, sagte sie, »die Goldkäferstiefel für sechzig.«
    Sie teilte sogleich der Pielemann schriftlich mit: »Wir haben kein Geld.« Der Umstand brachte immerhin Bewegung in ihr Dasein.
    Die Pielemann entschied, Unrat müsse Stunden geben.
    »Wenn mein Mann hier nur nicht so gräßlich unbeliebt wäre«, meinte die Künstlerin Fröhlich.
    Die Pielemann, stolz darauf, einen Dienst leisten zu können: »Ich schick ihm meinen Freund. Den kann er meinswegen rupfen, ich drück ’n Auge zu.«
    »Lorenzen, den Weinhändler? Hände weg, das is ’n früherer Schüler von Unrat, er hat mich schon mit angeödet. Du seist ihm recht, sagt er, aber dein Freund käme ihm nich ins Haus … Un wenn ich ihn auch rumkrieg, Lorenzen wird sich hüten und ihm in die Fänge laufen.«
    »Du kennst mich schlecht«, entgegnete die Pielemann. »Ich stelle die Vertrauensfrage: entweder – oder.«
    Es ward Unrat mitgeteilt, der Weinhändler Lorenzen müsse Griechisch lernen, weil er griechische Weine verkaufe, und Unrat solle ihm Stunden geben. Unrat geriet zunächst in fliegende Unruhe, aber er brachte keine Weigerung vor. Er sprach erregt und mit tückischem Lächeln von den zahlreichen Vergehungen und Auflehnungsversuchen des Schülers Lorenzen, von den Gelegenheiten, wobei Lorenzen ihm seinen Namen gegeben hatte, ohne daß Unrat ihn jemals hatte »fassen« können.
    »Ei, ei«, bemerkte er dazwischen, »noch ist nichts verloren.« Darauf: »Du erinnerst dich wohl, meine Liebe, des bei unserer Eheschließung herrschenden Lärmes, des Haufens, der unsern Wagen begleitete –«
    »Jaja, laß man«, machte die Künstlerin Fröhlich, denn die Erwähnung dieser Vorgänge im Beisein der Pielemann beschämte sie.
    Unrat, ohne sich stören zu lassen: »– der Rotte, die vor dem Standesamte – immer mal wieder – johlte und Nebendinge trieb, und insbesondere des Kiesels, der beim Einsteigen deine weiße Atlasrobe beschmutzte. Nun wohl! Es steht unerschütterlich fest, daß, unter die jugendlichen Attentäter gemischt und meinen Namen in die Lüfte hinausschmetternd, auch der Schüler Lorenzen sich damals mit Schmach bedeckt hat!«
    »Dem werd ich es mal zu verstehen geben!« erklärte die Pielemann.
    »Ich habe ihn leider nicht fassen können«, fuhr Unrat fort. »Ich vermochte nicht, es ihm zu beweisen. Jetzt aber soll er Griechisch lernen. Gar manchen konnte ich nicht fassen. Daß sie doch alle Griechisch lernten!«
    Darauf stellte Lorenzen sich ein und ward milde behandelt. Wegen jedes fehlenden Heftes oder Bleistifts rief Unrat die Künstlerin Fröhlich herein und verwickelte sie in eine Unterhaltung. Zuerst mußte sie dem Schüler Lorenzen ihre Kenntnisse im Griechischen vorführen, dann glitt das Gespräch zu modernen Dingen. Der Schüler Lorenzen war eingetreten mit dem Anspruch auf überlegene Ironie. Er ließ ihn ruckweise fallen, als er die Künstlerin Fröhlich in so freier und maßvoller Anmut sich zwischen ihren Möbeln bürgerlichen Stils bewegen sah; als er sie besser gekleidet fand als seine eigene Frau, die sich im Theater jedesmal entrüstet hatte über die Künstlerin Fröhlich; als es ihm aufging, daß eine leichte Schminke, ein Anflug von Dirnenjargon und mehrere Messerspitzen Komödianterei das Familiesimpeln eigentümlich würzten. Dieser Schlaumops von Unrat! Auf diese Weise brauchte man allerdings weder in den Klub noch sonstwohin. Und statt seiner anfänglichen Hoffart bekam Lorenzen vor dem Ehepaar Unrat etwas Klebrig-Bittstellerisches.
    Er erlangte die Erlaubnis, das nächste Mal etwas von seinem Wein mitzubringen. Er brachte außerdem eine Pastete, und ein kleines Frühstück ersetzte die griechische Stunde. Wenn draußen etwas zu besorgen war, ging jedesmal Unrat. Er ging zuerst nach einem Pfropfenzieher und später, als man getrunken hatte und der Schüler Lorenzen angeheitert war, nach vielen andern Dingen.
    Wie diese Zusammenkunft sich wiederholte, äußerte die Künstlerin Fröhlich die Ansicht, es wäre noch viel netter mit mehreren Personen. Der Schüler Lorenzen war mehr für das Intime; aber

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