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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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nicht bieder wie in den Familien, mußten sie gemein sein wie im öffentlichen Haus. Es ging nicht anders. Wenn sich einer anfangs wohl bemühte – bald, nachdem er getrunken, etwas verloren, sich heimisch gemacht hatte, glitt das Gespräch ihm aus, er sagte unverschleierte Sachen, nannte eine Dame du, fing Streit an. Der guten Haltung der Damen wurde dies alles verderblich. Sie gewöhnten sich an Formlosigkeit im Vergnügen. Die Pielemann war nicht wiederzuerkennen; sie brachte es fertig, sich aus einem verschlossenen Zimmer, wo sie eine halbe Stunde mit einem der Gäste verbracht hatte, heraustrommeln zu lassen und mit dem angeheiterten Trupp anstandslos ins Spielzimmer zurückzukehren. Die Künstlerin Fröhlich mußte zugeben, daß die Pielemann in der vorigen Saison das noch nicht fertiggebracht hätte.
    Sie selbst, die Künstlerin Fröhlich, blieb dabei, die Formen ziemlich zu wahren. Es verstand sich, daß sie es nur mit peinlich Auserlesenen zu tun hatte, mit Konsul Breetpoot möglichenfalls, vielleicht mit Assessor Knust: etwas Unzweifelhaftes wußte man nicht. Bei ihr im Hause fiel nie etwas vor. Die Künstlerin Fröhlich betrieb den Ehebruch mit all der Umsicht und dem ganzen Zeremoniell der im Ernst verheirateten Frau; mit doppelten Schleiern, verhängten Wagenfenstern, Stelldicheins auf dem Lande. Soviel Etikette erhöhte sie im Rang, und niemand hätte sie mit den andern Damen zu verwechseln gewagt. Dies vermied man schon darum, weil zu keiner Zeit genau feststand, wer gerade ihr Beschützer war, und wieviel er geduldet hätte. Auch kam sehr in Betracht, daß Unrat selber gar nichts duldete. Man hatte erlebt, daß er mitten aus bester Gemütlichkeit heraus über einen Herrn hergefallen war, der zufällig gleich hinter ihm eine Bemerkung über die Hausfrau gemacht hatte. Unrat hatte gezischt und gepfaucht, war keinen Vorstellungen zugänglich gewesen, hatte am Schluß eines hitzigen Ringkampfes den großen, dicken Menschen aus der Tür gestoßen; und der Unglückliche war auf immer verbannt geblieben. Dabei war es ein hoher Pointierer gewesen, und was er über die Künstlerin Fröhlich gesagt hatte, war bestimmt das Harmloseste gewesen von allem, was sich über sie sagen ließ. Man wußte also, woran man bei Unrat war, sobald es die Künstlerin Fröhlich anging; und hütete sich.
    Im übrigen durfte alles drunter und drüber gehen; Unrat war einverstanden. Er rieb sich die Hände, wenn jemand, der keineswegs er selbst war, die Bank sprengte und betroffene, von Gier abgemattete, nasse und fassungslose Gesichter umherfuhren und vor sich hinstierten. Er begutachtete wohlgefällig den Zustand eines sinnlos Betrunkenen, gab einem gänzlich Ausgeleerten Wünsche mit von undurchdringlichem Hohn, feixte flüchtig, wenn irgendwo ein Liebespaar auf frischer Tat ertappt ward; und er hatte seine belebtesten Augenblicke, wenn sich jemand als entehrt herausstellte. Ein junger Mann aus guter Familie spielte falsch. Unrat bestand darauf, daß er dableibe. Die Wogen der sittlichen Empörung gingen hoch, einige entfernten sich protestierend. Zwei oder drei Abende darauf waren sie wieder da, und Unrat schlug ihnen, giftig lächelnd, eine Partie mit dem jungen Falschspieler vor.
    Ein anderer Fall entspann sich noch dramatischer. Es war einem der Spieler ein Paket Banknoten, das er vor sich hingelegt hatte, abhanden gekommen. Er erhob ein Geschrei, verlangte, daß die Ausgänge gesperrt und alle Anwesenden durchsucht würden. Die Menge widersetzte sich, man beschimpfte einander, drohte dem Bestohlenen mit Prügeln und verdächtigte innerhalb fünf Minuten jeden ohne Ausnahme. Unrats Stimme drang, man wußte nicht wie, aus einem Grabe herauf, durch allen Lärm. Er erklärte, die angeben zu wollen, die untersucht werden müßten; ob man sich ihm fügen wolle. Man war neugierig, fühlte sich gedrängt, über allem Verdacht zu erscheinen; man rief ja. Darauf nannte Unrat, den Hals vor- und zurückschiebend, Leutnant von Gierschke, den Schüler Kieselack und Konsul Breetpoot. »Breetpoot? Breetpoot?« Jawohl, Breetpoot. Unrat blieb dabei, ohne sich weiter zu äußern über das, was er wußte … Und Gierschke, ein Offizier? Das habe nichts zu sagen, behauptete Unrat. Und dem Leutnant, der sich wütend zur Wehr setzte, gab er zu bedenken: »Die Menge ist gegen Sie und wird Sie entwaffnen. Des Säbels beraubt, möchten Sie denn wohl Ihrer Ehre verlustig gegangen sein und nichts mehr besitzen als eine Pistole, vermittelst deren

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