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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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ihrem Schuldner, zu Gelde zu verhelfen? Waren es nicht beutelustige Ehefrauen, die ihre Männer schickten, damit sie von dem durch die Luft fliegenden Gelde ihren Anteil herausgriffen? Andere kamen selbst. Unter den Masken, im Karneval, sollten anständige Frauen gewesen sein. Man hatte mißtrauische Männergesichter bemerkt, die nach Gattinnen ausspähten. Die jungen Mädchen wisperten daheim von einem späten Ausgang ihrer Mutter: »nach dem Haus vorm Tor«. Sie trällerten halblaut Bruchstücke aus Liedern der Künstlerin Fröhlich. Die Lieder schwirrten verdeckt durch die Stadt. Das geheimnisvolle Pfänderspiel, bei dem Paare sich auf den Boden und unter eine Decke legten, es machte seinen Weg durch die Familien; es ward gespielt, wenn den mannbaren Töchtern junge Tänzer eingeladen waren; und ein Gekicher ging umher von dem »Haus vorm Tor«.
    Bevor der Sommer anbrach, zogen drei Frauen der guten Gesellschaft und zwei junge Mädchen sich plötzlich zurück, zu einem, wie man fand, verfrühten Landaufenthalt. Drei neue geschäftliche Zusammenbrüche erfolgten. Der Zigarrenhändler Meyer am Markt beging Wechselfälschungen und erhängte sich. Über Konsul Breetpoot ward gemunkelt …
    Und diese Entsittlichung einer Stadt, von keinem zu unterbrechen, weil zu viele darin verwickelt waren: sie geschah durch Unrat und zu seinem Triumph. Seiner insgeheim ihn schüttelnden Leidenschaft – dieser Leidenschaft, von der sein trockner Körper nichts als hie und da ein giftig grünes Augenfunkeln, ein blasses Feixen entließ –, ihr frondete und unterlag eine Stadt. Er war stark; er mochte glücklich sein.

XVI
    Er wäre glücklich gewesen, wenn er noch stärker gewesen wäre; wenn er nicht in einer Krise seines Geschicks, das der Menschenhaß war, sich der Künstlerin Fröhlich ausgeliefert hätte. Sie war die Kehrseite seiner Leidenschaft: sie mußte alles bekommen, in dem Maße, wie die andern alles verloren. Sie war um so pflegebedürftiger, je mehr alle andern es verdienten, zerschmettert zu werden. Auf sie hatte sich der überreizte Zärtlichkeitstrieb des Menschenfeindes geworfen. Das war schlimm für Unrat: er sagte es sich selbst. Er sagte sich, daß die Künstlerin Fröhlich nichts hätte sein dürfen als ein Instrument, die Schüler zu »fassen« und hineinzulegen. Statt dessen stand sie nun gleich neben Unrat selbst, hoch und heilig im Angesicht der Menschheit, und er war genötigt, sie zu lieben und zu leiden unter seiner Liebe, die sich auflehnte gegen den Dienst seines Hasses. Unrats Liebe war dem Schutz der Künstlerin Fröhlich geweiht und ging für sie auf Raub aus: es war eine ganz männliche Liebe. Dennoch führte auch diese Liebe zuletzt zur Schwächung …
     
    Es kam vor, daß er sich bei ihrer Heimkehr versteckte und bis abends nicht mehr zum Vorschein kam. Sie verhandelte durch die Tür, mit ihrem leichten, ein bißchen mitleidigen Stimmchen. Aber er wollte nicht einmal essen. Er habe wissenschaftlich zu arbeiten. Sie warnte ihn freundschaftlich, er werde sich krank machen; und entschloß sich mit einem Seufzer, seinen Anfall vorübergehn zu lassen. Er hatte wahrscheinlich wieder ihre Garderobe untersucht und in ihrer schmutzigen Wäsche herumgestochert. Vielleicht hatte er heute morgen das Billett gelesen. Plötzlich kriegte er dann ’nen Rappel, konnte sie, wenn sie so zerknüllt nach Haus kam, nicht mehr ansehn, drehte sich, ganz schamrot, nach allen Ecken und verduftete. Es war ordentlich aufregend. Das heißt, ganz ernst, na also wirklich im tiefsten Grunde ernst, konnte man es doch nicht nehmen. Dafür spielte man selbst zu viel. Erstens spielte sie verheiratet: es war ihr unmöglich, es anders aufzufassen. Wie sie ihrem alten Unrat damals mitten auf der Straße ihre Mimi zugeschickt hatte – das war fein gewesen, dabei hatte man ordentlich was gefühlt. Und dann das Getue jetzt mit den Männern, die Fatzkereien, bis es zu was Richtigem kam, und die Masse Lügen die ganze Zeit über, daß einem bloß nichts entwischte im Beisein von Unrat – der doch natürlich ganz genau Bescheid wußte. Sie war ihm geradezu dankbar, daß er die Komödie mitspielte und von ihren täglichen kleinen Seitensprüngen noch so viel Wesens machte. Das brachte doch Leben in die Bude! Komisch, daß er sich nie daran gewöhnte.
    Und dabei lag an dem Ganzen doch ihm viel mehr als ihr selbst. Manchmal führte er sich auf wie übergeschnappt und wollte von heute auf morgen irgendeinen Gewissen totmachen. Er

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