Profit
mir Leid. Ich komm gerade von einer No-Name-Geschichte, und es ist ein Grundsatz bei Shorn, dass man denen ihr Plastik abnimmt, wenn man sie zur Strecke gebracht hat, als Beleg sozusagen. Da kann es schon mal etwas unappetitlich werden.«
»Hatte heute Morgen selber schon einen No-Namer«, sagte Chris automatisch.
»Ach ja? Wo denn?«
»M11, Nähe Abfahrt 8.«
»Die Unterführung. Haben Sie ihn da erledigt?«
Chris nickte, spontan beschließend, den ergebnislosen Ausgang der Angelegenheit nicht weiter zu erwähnen.
»Hübsch. Ich meine, diese No-Namer bringen einen nicht groß weiter, aber es geht halt um den Ruf, schätze ich.«
»Schätz ich auch.«
»Sie sollen zu Conflict Investment, nicht wahr? Louise Hewitts Abteilung. Ich bin selber oben im dreiundfünfzigsten zugange. Sie hat sich vor ein paar Wochen über Ihren Lebenslauf ausgelassen. Was Sie damals bei Hammett McColl abgezogen haben, das war ja echt ’ne beinharte Nummer. Willkommen an Bord.«
»Danke.«
»Ich kann Sie nach oben begleiten, wenn Sie mögen. Bin selbst grade auf dem Weg dorthin.«
»Großartig.«
Sie traten hinaus in die breite Rundung des Flurs und vor ein Panoramafenster mit Blick auf den Finanzdistrikt aus der Perspektive des zwanzigsten Stockwerks. Bryant schien es für eine Weile in sich aufzusaugen, bevor er, noch immer an einem hartnäckigen Blutfleck an seiner Hand reibend, den Flur hinunterzugehen begann.
»Hat man Ihnen schon ein Auto geliefert?«
»Ich hab mein eigenes. Spezialanfertigung. Meine Frau ist Mechanikerin.«
Bryant blieb stehen und sah ihn an. »Echt jetzt?«
»Echt.« Chris hielt die linke Hand hoch, zeigte das matte Metall am Ringfinger vor. Bryant betrachtete es mit Interesse.
»Was ist denn das, Stahl?« Plötzlich begreifend, grinste er. »Aus einem Motor, stimmt’s? Hab von solchen Sachen gelesen.«
»Titan. Stammt aus einem alten Saab-Kühler. Musste größenmäßig angepasst werden, aber davon abgesehen…«
»Ja klar.« Die Begeisterung des anderen Mannes hatte etwas Kindliches. »Haben Sie es über einem Motorblock gemacht, wie der Typ in Mailand letztes Jahr?« Er schnippte wieder mit den Fingern. »Wie hieß er noch gleich, Bonocello oder so?«
»Bonicelli. Ja, so ungefähr war das.« Chris versuchte sich die Verärgerung nicht anmerken zu lassen. Seine Motorblockhochzeit hatte fünf Jahre vor der des italienischen Fahrers stattgefunden, war aber in der Automobilpresse kaum zur Kenntnis genommen worden. Bonicellis Hochzeit dagegen war wochenlang Thema gewesen, mit Farbstrecken noch und noch. Hatte vielleicht ein wenig mit der Tatsache zu tun, dass Silvio Bonicelli der regelmäßig Radau schlagende jüngste Sohn einer großen florentinischen Fahrerfamilie war, oder auch damit, dass er keine Mechanikerin geheiratet hatte, sondern eine prominente ehemalige Pornoaktrice, die mittlerweile eine vielversprechende Karriere als Retorten-Popsängerin eingeschlagen hatte. Vielleicht hatte aber auch die Tatsache eine Rolle gespielt, dass Chris und Carla ihre Trauung ohne großen Aufstand im Hinterhof von Mel’s AutoFix abgehalten hatten, während Silvio Bonicelli die gekrönten Häupter der europäischen Konzernwelt zu seiner Feier in die Ausstellungsräume eines neuen Lancia-Werks in Mailand eingeladen hatte. So nämlich funktionierte der Konzernadel des einundzwanzigsten Jahrhunderts: über Familienkontakte.
»Die eigene Mechanikerin heiraten.« Bryant grinste unverdrossen. »Mann, ich begreif ja, dass einem das nützlich werden kann, aber ich muss schon sagen, ich bewundere Ihren Mut.«
»Mit Mut hatte das weniger zu tun«, sagte Chris milde. »Ich war verliebt. Sind Sie verheiratet?«
»Yeah.« Er bemerkte Chris’ Blick auf seinen Ring. »Oh. Platin. Suki ist Wertpapierhändlerin bei Costerman. Arbeitet inzwischen meistens von zu Hause aus, und wahrscheinlich hört sie ganz auf, falls wir noch ein Kind bekommen.«
»Sie haben Kinder?«
»Ja, nur das eine. Ariana.« Sie erreichten das Ende des Flurs, wo sich eine ganze Reihe von Fahrstühlen befand. Bryant wühlte, während sie warteten, in seinem Jackett und zog schließlich eine Brieftasche hervor. Als er sie aufschlug, kamen eine eindrucksvolle Zusammenstellung von Kreditkarten und das Foto einer attraktiven Frau mit rötlich braunen Haaren zum Vorschein, die ein koboldgesichtiges Kind im Arm hielt. »Hier. Das haben wir an ihrem Geburtstag gemacht. Da ist sie eins geworden. Ist schon wieder fast ein Jahr her. Die wachsen so schnell.
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