Projekt Babylon
geht?« Peters Pupillen waren leicht geweitet, sein Blick ins Unbestimmte gerichtet. »Sie haben leuchtende Gestalten gesehen? Und eine Bestie?«
»Sie waren so vollkommen, so real, ihre Blicke drangen bis ins Mark. Genauso, wie es beschrieben wird. Es stimmte alles.«
»Peter, da war nichts. Peter!« Patrick fasste ihn an den Schultern und brachte sein Gesicht ganz nahe an das des Professors heran. »Sehen Sie mich an, Peter. Da war nichts. Hören Sie!«
Peter blickte auf. »Was soll das heißen, da war nichts? Verschließen Sie noch immer die Augen vor der Wahrheit, wie ich es mein Leben lang tat? Fragen Sie Stefanie, ob da etwas war!«
»Peter«, sagte Stefanie, »da war tatsächlich nichts. Glauben Sie uns. Die Zeremonie hat Sie gefangen genommen. Sie sind beeinflusst worden!«
»Beeinflusst? Wer sagt Ihnen, dass Sie es nicht sind, die beeinflusst wurden?«
»Wenn dort irgendwelche Gestalten oder Bestien gewesen wären«, versuchte es nun wieder Patrick, »wohin sind sie dann so plötzlich verschwunden, als wir befreit wurden?«
»Ich weiß es nicht...« Er senkte den Blick. »Vielleicht haben Sie ja auch Recht...« Er wirkte nicht überzeugt.
»Wir sollten jetzt alle schlafen gehen«, sagte Patrick. »Morgen früh sieht alles anders aus. Und dann bekommen wir hoffentlich auch ein paar Antworten.«
11. Mai, Hôtel des Cathares, Albi
Es war eine kurze und unruhige Nacht für alle drei. Doch als sie sich gegen neun Uhr zum Frühstück trafen, waren Stefanies Haare frisch gewaschen, Patrick machte einen einigermaßen erholten Eindruck, und auch Peter schien seine Fassung wiedererlangt zu haben. Dennoch wirkte er nachdenklich, als er seinen Tee trank.
»Es tut mir leid, wenn ich Sie beide gestern mit meinem verworrenen Zustand belastet habe«, sagte er nur zur Erklärung. »Ganz offenbar haben wir unterschiedliche Erinnerungen an das Geschehen. Lassen wir es zunächst dabei bewenden.«
So erzählte Patrick von ihren Erlebnissen in der Höhle, wobei Peter interessiert zuhörte. Er formulierte dabei dieselben Fragen, die sich Patrick ebenfalls gestellt hatte: in welcher Weise Patrick in der Lage gewesen sei, die Bilder zu lenken, und ob es sich nicht vielleicht um projizierte Erinnerungen handelte. Doch dann schilderte Patrick, wie er der Herkunft der beiden Faxe auf die Spur gekommen war, die traumartige Reise nach Morges, das Herrenhaus am Genfer See und das Türschild mit der Inschrift »Steffen van Germain«.
»Höchst erstaunlich!«, sagte Peter. »Dann handelt es sich in der Tat um eine Höhle des Wissens! Uns ist weder bekannt, wer sie erbaut hat, noch, wie sie funktioniert. Doch scheint sie in der Lage zu sein, Wissen zu vermitteln, und zwar auf eine umfassendere und direktere Art, als wir es bisher kennen. Stellen Sie sich vor, über welche Macht derjenige verfügt, der diese Höhle beherrscht. Kein Geheimnis der Welt wäre mehr sicher, alles Wissen der Vergangenheit, der Gegenwart, möglicherweise auch der Zukunft wäre jederzeit verfügbar! Das ist unglaublich!«
»Ja.« Patrick nickte. »Und eine ganze Menge Leute trachtet bereits nach dieser Höhle. Nicht nur die Satanisten. Erinnern Sie sich an den Typ von Helix Industries, der uns von den Archiven Luthers erzählte? Meinen Sie nicht, der ahnte etwas? Und Renée! Wie begierig sie wurde, uns zu helfen und mehr über den ›Kreis von Montségur« zu erfahren. Als hätte sie schon davon gehört.«
»Und dann gibt es diesen Steffen van Germain«, sagte Peter, »der scheinbar von Anfang an wusste, um was es geht, und uns beobachtete...«
»Ich möchte mich ja ungern in die Hände einer neuen Geheimorganisation von Spinnern begeben«, sagte Patrick, »aber so wie es aussieht, ist der mysteriöse Mann aus Morges unsere letzte heiße Spur. Wir sollten ihm dringend einen Besuch abstatten.«
»Apropos Geheimorganisation«, sagte Stefanie, »da kommt unser Retter von gestern Abend.«
Nathaniel, diesmal nicht in Uniform, sondern in normaler Straßenkleidung, trat an den Tisch.
»Guten Morgen, Madame, Messieurs. Ich hoffe, Sie konnten den kurzen Rest der Nacht noch genießen. Sie sind bereits fertig mit dem Frühstück? Dann würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten. Sind Sie einverstanden, dass wir uns dazu eine ruhigere Ecke suchen?«
Sie standen auf und folgten dem Mann, der sie in einen Seitentrakt des Hotels führte, wo sich eine Sitzgruppe und ein Kamin befanden. Am frühen Morgen war kein Feuer entzündet, doch es war allemal gemütlich
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