Projekt Babylon
»es ist ein interessanter Gedanke, nicht wahr? Von der Höhle geht offenbar gewaltige Macht aus. Wer auch immer das Geheimnis in seiner Hand hält, könnte die Geschicke der Welt lenken. Und Unheil ist der Schatten der Macht. Sollte man da nicht wünschen, dass es tatsächlich jemand gäbe, der diese Macht bewahrt und schützt?«
»Dann glauben Sie, dass es so ist?«
»Ich hoffe es, Monsieur. Sie nicht?«
Patrick zuckte mit den Schultern, doch Peter sah nachdenklich hinaus in den mittlerweile erleuchteten Garten und auf den in der Dunkelheit liegenden See. Der Mann hatte zweifellos Recht. Es war tatsächlich sehr zu hoffen, dass jemand das Geheimnis der Höhle hütete. Wer konnte schon vorhersagen, in welche Hände es geraten würde, was die jeweiligen Machthaber damit anstellen würden, welche Revolutionen, Krisen oder Kriege entstehen könnten. Könnte ein einzelner Mensch, eine Partei, eine Firma oder ein Staat, ohne jegliche Korruption und aus reiner Güte die Macht des Wissens für das Wohl der Menschheit einsetzen? Wie lange würde es dauern, bis Missgunst und Machtgier entstehen würden? Vor diesem Hintergrund verblasste die Frage nach der zugrunde liegenden, unbekannten Technologie. So interessant es auch war, zu verstehen, wer die Höhle erbaut hatte, auf welche Weise und zu welchem Zweck; wie viel wichtiger war es, sicherzugehen, dass sie nicht in die falschen Hände geriet. Und wer könnte das jemals entscheiden oder bestimmen?
»Die Höhle muss wieder verborgen werden«, sagte Peter.
»Wie kommen Sie denn plötzlich darauf?«, fragte Patrick.
»Überlegen Sie, welch unvorstellbare Macht jemand besäße, der mit Hilfe der Höhle alles in Erfahrung bringen könnte, was es jemals zu wissen gab und gibt. Für dieses Individuum gäbe es keine Geheimnisse mehr, keinen Wettbewerb, keine Grenzen, kein Hindernis, keine Gesetze... ein allwissendes, übermächtiges... gottgleiches Wesen würde entstehen!«
»Klingt doch nicht so schlecht...«
»Patrick, ich bitte Sie! Wer sollte das Ihrer Meinung nach sein? Sie? Ich? Diese Macht ist nicht nur viel zu groß für einen Einzelnen – darüber hinaus gibt es keine Garantie, dass es jemand mit Verantwortungsgefühl ist, der sie einmal an sich reißt! Der Bürgermeister vielleicht? Oder Ash Modai? Oder der nächste Adolf Hitler? Die Höhle muss wieder verschwinden, wenn wir sie nicht für uns behalten können! Und Sie wissen, dass das nicht geht.«
»Sie denken an Ihren Auftraggeber?«, fragte van Germain.
»Es ist eine Frau«, erklärte Peter. »Sie arbeitet für die Vereinten Nationen. Die Untersuchung ist ein Sonderprojekt des Bereichs für Altertumsforschung und europäische Kulturgeschichte.«
Zum ersten Mal gab sich van Germain überrascht. »Das ist interessant«, sagte er. »Ich hatte einen sehr diskreten privaten Investor vermutet. Und eine derartige Abteilung ist mir bei den UN gar nicht bekannt... Nun, möglicherweise ist es ein neu geschaffenes Ressort?«
»Elaine weiß alles über die Höhle...«, überlegte Patrick.
»Bevor wir uns gestern Abend auf den Weg nach Albi gemacht haben, haben wir mit ihr telefoniert und es ihr erzählt. Was die Höhle kann, und wie man hineinkommt.«
»Ich zweifle gerade, ob das so vorteilhaft war...«, sagte Peter.
Schweigen trat ein. Blicke wanderten von einem zum anderen. Patrick. Peter. Stefanie. Van Germain. Ihre Gedanken überschlugen sich beinahe. Zuckten wie unsichtbare Blitze über den Tisch, von einem zum anderen. Eine unheilschwangere Ahnung nahm allmählich Gestalt an und wuchs sich bedrohlich aus.
»Merde!«, fluchte Patrick. »Wir müssen sofort zurück!«
»In der Tat, das denke ich auch«, sagte Peter.
»Sie möchten nach dem Rechten sehen?«, fragte van Germain.
»Allerdings!«, sagte Patrick. »Wer weiß, welche Typen jetzt schon da herumlungern!«
»Ich verstehe«, sagte van Germain. »Und ich begrüße Ihre Entscheidung. Falls es nicht allzu vermessen erscheint, möchte ich Ihnen gerne anbieten, Sie nach Genf fliegen zu lassen. Auf diese Weise könnten Sie erheblich Zeit sparen. Für Ihren Mietwagen würde selbstverständlich gesorgt werden.«
»Uns fliegen lassen?«
»Mit meinem Hubschrauber. Joseph wird veranlassen, dass er in zehn Minuten startbereit ist.«
Kapitel 20
12. Mai, Landstraße, Nähe St.-Pierre-Du-Bois
Obwohl es bereits spät gewesen war, als sie endlich in ihrem Hotel ankamen, und die Nachtruhe deshalb sehr kurz, hatten sie sich schon im Morgengrauen in den Landrover
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