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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Peter.
    »Vielleicht«, sagte Stefanie. »Schließlich ist es irgendwie eine Höhle des Wissens... wie war der letzte Satz noch?«
    »Ich habe nur Bruchstücke verstanden: › ln me ma nebo dum me reppe rero. ‹ Ergibt das Sinn?«
    »Ja, sehr deutlich sogar. › In me manebo dum me repperero ‹ heißt es und bedeutet: Ach bleibe in mir, bis ich mich wiedergefunden haben werde. ‹ Ganz schön philosophisch, Ihr Schäfer.«
    »Klingt wie einer der Graffiti-Sätze«, sagte Peter. »Finden Sie nicht? Mal abgesehen davon, dass dieser einfache Mann merkwürdigerweise plötzlich die Sprache der Gelehrten spricht, formuliert er auch noch höchst gebildete Gedanken.«
    »Ja, das Erlebnis in der Höhle muss ihn nachhaltig beeinflusst haben... Und Sie sind sicher, dass Sie nicht auch plötzlich Latein verstehen, Patrick?«
    »Ich finde das nicht witzig, Stefanie!«
    »Es war auch völlig ernst gemeint, Patrick. Haben Sie irgendwelche Veränderungen an sich beobachtet? Irgendetwas in Ihrem Denken oder Ihrem Verständnis?«
    »Nein!«
    »Nun gut«, lenkte Peter ein. »Lassen wir das Thema. Vielleicht sollten Sie es aber im Hinterkopf behalten und sich selbst in den nächsten Tagen aufmerksam beobachten. Interessant finde ich allerdings, dass er vor Leuten warnt, die helfen wollen. Was sollen wir davon halten?«
    Patrick zündete sich eine neue Zigarette an. »Nun, wir behalten es am besten einfach ebenfalls im Hinterkopf.«

Kapitel 9

    5. Mai, Palais de Molière nahe Paris

    Präsident Michaut hatte sich förmlich gekleidet, obwohl er dem Grafen versichert hatte, dass es sich um ein privates Treffen handeln würde. Der Graf respektierte alle notwendige Diskretion, dennoch war immer etwas Besonderes in seinem Auftreten, etwas Weltentrücktes und zugleich Souveränes. Präsident Michaut fühlte sich ihm gegenüber stets ein wenig unwohl. Es waren keine schlechten Gefühle, weder Neid noch Misstrauen oder Angst. Es war wie ein unerklärlicher Respekt, eine Bewunderung, aber noch mehr als das. In seiner Gegenwart fühlte er sich so sicher, wie er sich als Kind auf den Schultern seines Vaters gefühlt hatte. Ja, wenn er ehrlich war, fühlte er sich ihm in gewisser Weise unterlegen, wenn auch nicht minderwertig. Stattdessen empfand er für den Grafen eine ehrliche Bewunderung und Ehrfurcht. Mitunter fühlte er sich fast demütig. Ein Gefühl, das ihn so schleichend und mit einer solchen Natürlichkeit überkam, dass er sich zusammennehmen und sich erinnern musste, dass er immerhin der Präsident von Frankreich war. Wäre er sentimental oder esoterisch veranlagt, so würde er es fast als eine religiöse Liebe bezeichnen. Etwas Ähnliches muss es gewesen sein, das die Jünger für ihren Messias empfunden hatten. In diesem Sinne war der Graf für den Präsidenten ein ganz persönlicher Heilsbringer. Und schon allein deswegen fühlte er sich in dessen Anwesenheit im Anzug besser als in seiner privaten, legereren Kleidung.
    »Guten Abend, Monsieur le Comte, ich freue mich, Sie wiederzusehen.«
    »Guten Abend, Monsieur le Président. Wie immer ist es eine Ehre für mich.«
    Präsident Michaut deutete auf einen Sessel. »Setzen Sie sich doch bitte. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    »Ich würde mich über einen trockenen Weißwein freuen«, antwortete der Graf, indem er sich niederließ. »Selbstverständlich nur, wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände bereitet.«
    »Keineswegs. Erlauben Sie, dass ich Sie einen Augenblick allein lasse.« Der Präsident verließ den Raum und begab sich in die Küche der Residenz. Mit Ausnahme des notwendigen Sicherheitspersonals und der Fahrer war niemand auf dem Grundstück anwesend. So blieb zwar die Verschwiegenheit des Treffens gewahrt, allerdings bedeutete dies auch, dass es keine Bedienung gab. Präsident Michaut war bodenständig genug, daraus kein Problem zu machen. Eine Weißweinflasche konnte er auch alleine finden und entkorken. Er überlegte, ob es nicht der Auflockerung der Stimmung zuträglich wäre, wenn er die Flasche einfach mit in den Salon brächte, sie dort vor den Augen des Grafen öffnete und ausschenkte. Er entschied sich jedoch dagegen und bereitete einen Serviertisch mit Gläsern und einem Kühlhalter mit Eiswasser vor. Als er in den Salon zurückkehrte, schien es, als habe sich der Graf nicht um Haaresbreite bewegt, so ruhig saß er noch immer da, die ineinander geschobenen Hände auf dem Schoß ruhend und den Blick in die Flammen des Kaminfeuers gerichtet.
    Präsident

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