Projekt Babylon
tatsächliche Hektik völlig verbergen zu können.
»Von der Stewardess?« Patrick grinste.
»Nein, von Stefanie. Mir scheint, dass Sie nicht begeistert von ihrer Mitarbeit sind. Sie waren ja fast erleichtert, als sie unbedingt im Hotel an den Rechnern bleiben wollte.«
»Ihre Arbeit ist gut. Ich habe nichts gegen sie.«
»Hören Sie auf, Patrick. Ist es Neid?«
Patrick winkte ab. »Unsinn, nein! Sie arbeitet gut. Manchmal ist sie mir etwas zu herablassend, wissen Sie? Eine Klugscheißerin.« Er sah aus dem Fenster.
Peter schwenkte seinen Plastikbecher mit langsamen Bewegungen und ließ so die Eiswürfel im Kreis taumeln. »Ich frage mich gerade«, sagte er und betrachtete Patrick von der Seite, »wie viel Kälte so ein kleiner Eiswürfel abgeben kann, um den ganzen Becher zu kühlen...«
»Der Eiswürfel gibt gar keine Kälte ab.«
»Ach nein?« Peter lächelte.
»Der Eiswürfel schmilzt, da seine Umgebung wärmer als null Grad ist. Für diese Zustandsänderung benötigt er aber Energie. Deswegen holt er sich die Wärmeenergie seiner Umgebung. Es ist nicht das Eis, das Kälte abgibt, sondern die Flüssigkeit, die Wärme abgibt.«
»Na sehen Sie, Herr Ingenieur, das Klugscheißen macht Ihnen doch selber Spaß. Na los, sagen Sie schon, was Sie an Stefanie stört.«
»Nichts, wenn ich es doch sage! Ich muss ihr ja nicht gleich um den Hals fallen. Ehrlich gesagt, mache ich mir im Augenblick über ganz andere Dinge Gedanken.«
»Die Loge?«
»Ja. Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist, sich noch mal mit diesen Leuten zu treffen, sie sind mir wirklich unheimlich.« Patrick sah zum Professor hinüber. »Sie scheint das nicht weiter zu berühren. Was wissen Sie noch alles über die Freimaurer?«
»Ich habe es Ihnen schon gesagt, ich hatte Sebastian während meiner Recherchen vor einigen Jahren kennen gelernt. Die haben ihre Rituale und Zeremonien, das muss einen nicht bekümmern.«
»Und diese Kabbala? Was hat es damit auf sich?«
»Die Kabbala entstammt dem jüdischen Mystizismus. Es geht darum, die wahre, ursprüngliche Thora wiederzufinden, die Wahrheiten und Weisheiten Gottes.«
»Eine Geheimlehre?«
»Fast die gesamte Magie des Mittelalters, oder das, was man so nannte, war von kabbalistischem Gedankengut durchzogen. Inzwischen gibt es so viele Bücher darüber, hauptsächlich aus der esoterischen Ecke, dass man es schwerlich eine Geheimlehre nennen kann.«
»Wie kommt es, dass Sie sich so gut damit auskennen? Sie scheinen auch mehr zu wissen, als es den Anschein hat, Herr Professor.«
» Der Siegeszug der Vernunft – Aberglaube und Rationalität im Wandel der Jahrtausende , erinnern Sie sich? Meine Vorlesungsreihe.«
»Also gut, erzählen Sie mehr davon. Was ist die Thora, und wie will man die Weisheiten Gottes darin wiederfinden?«
»› Thora ‹ ist das hebräische Wort für › Lehre ‹, damit ist der Pentateuch gemeint, die fünf Bücher Moses. Der gesamte Text ist auf eine Rolle geschrieben, in hebräischen Buchstaben. Die religiösen hebräischen Texte werden und wurden stets buchstabengetreu kopiert, so dass zum Beispiel alle hebräischen Bibeln weltweit, egal wie alt, immer absolut identisch sind. Nun gibt es verschiedene kabbalistische Methoden, die Thora zu lesen, sozusagen zu entschlüsseln, um geheime, dahinter liegende Botschaften zu finden.«
»Renée Großmeister war ja auch der Meinung, dass Hebräisch die Sprache Gottes sei.«
»Ja, die Suche nach der vollkommenen Sprache, die im Spätmittelalter und der Renaissance wahre Paradiesblüten getrieben hat, und die Kabbala hängen zusammen.«
»Und? Hat man schon versteckte Botschaften in der Thora gefunden?« Patrick war hellhörig geworden.
»Die Kabbalisten sind der festen Überzeugung, dass ja.«
»Haben Sie eine Ahnung, was das für Methoden sind, mit denen da gearbeitet wird?«
»Es gibt verschiedene Systeme, mit denen Buchstaben umgestellt und Anagramme gebildet werden. Zudem hat jeder Buchstabe einen Zahlenwert. So kann man aus Wörtern Summen bilden. Diese Zahlen vergleicht und verrechnet man dann mit den Zahlenwerten anderer Wörter. Ach, es gibt unzählige Arten und Kombinationen. Besorgen Sie sich doch mal ein Buch, wenn es Sie so interessiert.«
Ein Gong tönte durch das Flugzeug, gefolgt von einer Durchsage, dass man sich in Vorbereitung auf den Landeanflug anschnallen, die Tische hochklappen und die Rückenlehnen senkrecht stellen möge.
»Oder warum fragen Sie Renée Colladon nicht selbst?«
Patrick
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