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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Tag abgeschlachtet. Was ist aus dem stolzen, mächtigen Frankreich geworden? Was ist aus dem Reich Karls des Großen geworden? Was aus den Merowingern vor ihm? Was für eine Macht hatte das Reich der Franken damals – was für eine göttliche Macht. Wir waren nach dem Fall Roms das politische und geistige Zentrum des Abendlandes, viele hundert Jahre lang. Und nun kommen wir dazu, was mein Interesse ist. Sie haben Recht; es geht mir um mehr als eine politische Arbeit am nationalen Selbstverständnis Frankreichs. Ich möchte dieses Land nicht in einem Schmelztiegel der Nationen und Gesinnungen zu einem bedeutungslosen Brei verkochen lassen. Ich möchte Frankreich zu seinen Wurzeln zurückführen und ihm seinen gottgegebenen Platz wieder einräumen.«
    Jean-Baptiste Laroche hatte sich in Rage geredet. Er machte den Eindruck eines Wanderpredigers. Er war dogmatisch, fundamentalistisch, ohne Frage, aber er war auch ein Charismatiker, und er überzeugte durch eine ganz besondere Begeisterung – eine Art von ehrlicher, inniger Begeisterung.
    »Das ist es, was die Menschen in diesem Land spüren. Wir waren einmal das auserwählte Volk. Es geht hier nicht um Arbeitslosigkeit allein, es geht um eine vergangene Größe, um den Verlust der Gnade Gottes.«
    »Verlust der Gnade Gottes? Ich wusste nicht, dass Sie ein so gläubiger Mensch sind, Monsieur Laroche.«
    »Sie verkennen die Lage, Monsieur Michaut. Alleine schon die Tatsache, dass Millionen von Franzosen diesen Verlust spüren, macht die Frage irrelevant, ob ich selber gläubig bin oder nicht. Aber unabhängig davon: Ja, ich bin gläubig, und zwar viel intensiver und auf eine ganz andere Art, als Sie es sich vorstellen können.«
    »Heißt das, dass Ihre Partei ein Vehikel für einen Feldzug des Glaubens ist?«
    »Sie haben nach meinem ureigenen Interesse gefragt, und ich bezweifelte, dass Sie es verstehen würden. Nun sind wir so weit: Ja. Sie haben verdammt Recht. Es geht darum, Frankreich einen Messias zu bringen, wenn Sie es so nennen möchten, einen wahren Erben des königlichen Blutes, um dem Land die Gnade Gottes und sein Vorrecht auf die Herrschaft wiederzubringen.«
    Der Präsident atmete langsam und tief ein. Das Gespräch hatte eine unerwartete Wendung genommen. Jean-Baptiste Laroche war zu intelligent; er konnte sich ihn einfach nicht als religiösen Fanatiker vorstellen, der auch noch von der Industrie unterstützt wurde. Zugegeben, die »Industrie« waren Verwandte, aber gerade deswegen konnten es nicht allein seine verklärten frommen Predigten über die Gnade Gottes sein, die seinen Erfolg ausmachten. Irgendetwas tiefer Liegendes unterstützte den Mann, etwas gab ihm Recht, machte ihn glaubwürdig.
    »Und dieser Messias«, begann der Präsident zögerlich, »das sind Sie?«
    »Ja.« Jean-Baptiste Laroche baute sich vor dem Schreibtisch auf. Seine Champagnerlaune war zurückgekehrt. »Ja, ich bin der Messias. Jene, die mich unterstützen, wissen es, und es gibt nichts, was Sie dagegen tun könnten. Und wenn Sie mich umbringen, dann schaffen Sie einen neuen Märtyrer, Ihr ganz persönliches Armageddon. Denn ich bin der Erbe des königlichen Blutes!«

    9. Mai, Wald bei St.-Pierre-Du-Bois

    Fernand Levasseur parkte seinen Wagen am Ende des Schotterweges, der von der alten Forsthütte im Vallée des Cerfs den Berg hinaufführte. Von hier aus war es ein Marsch von etwa einer halben Stunde, bis er vermutlich den hinteren Teil der Absperrung erreichen würde, die die Forscher um den Berggipfel errichtet hatten. Der Förster wusste nicht genau, wo sich der Zaun befinden würde und ob es dort überhaupt einen gab, aber er kannte das Gebiet auf der Rückseite des Berges sehr gut. Es gab dort nur eine steile Wand. Sie erübrigte wahrscheinlich das Aufstellen eines Zauns – und viele Möglichkeiten, wo man ihn entlangführen konnte, gab es sowieso nicht, dafür aber eine Gelegenheit, den Felshang auf andere Art zu bezwingen. Er hoffte darauf, dass er auf diese Weise in das abgesperrte Gebiet eindringen und dem Rätsel der Forscher auf die Spur kommen konnte.
    Er hatte dunkelgrüne Forstkleidung angezogen, so dass er sich unauffällig im Wald bewegen konnte. Ein Gewehr hatte er ebenfalls geschultert, um notfalls den Eindruck eines einfältigen Jägers zu erwecken. Er konnte die Forscher und ihr Unternehmen schlecht einschätzen, hatte aber das Camp der Ranger und die Anzahl der dort beschäftigten Männer gesehen. Er vermutete, dass diese von den Forschern inzwischen

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