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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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das würde ich gerne besser verstehen.«
    »Was lässt Sie glauben, dass Sie es verstehen würden?«
    »Dann habe ich Recht?«
    »Ich habe Ihnen nicht zugestimmt. Ich habe Ihnen lediglich nicht widersprochen.«
    »Nun kommen Sie schon, erzählen Sie mir, was in Ihnen steckt.«
    »Bei allem Respekt, Monsieur Michaut, wenn Sie mich schon auffordern, so offen zu sein, dann darf ich sicherlich erfahren, was Sie mit diesem Verhör bezwecken! Versuchen Sie, meine Wege zu studieren? Folgen Sie dem Rat unserer Altvorderen, und wollen Sie Ihren Feind besser kennen lernen als Ihren Freund? Oder wollen Sie sich gar mit dem Gegner verbünden, den Sie nicht besiegen können?«
    »Weshalb ständig so feindselig? Wir sind doch hier nicht auf dem Schlachtfeld.«
    »Nein? Sind wir das nicht?«
    »Ich bitte Sie, Monsieur Laroche!« Der Präsident lachte. »Wir mögen uns ja dort draußen wie Kampfhähne gegenüberstehen, aber menschlich können wir uns durchaus respektieren.«
    »Und das wollen Sie ausgerechnet dadurch erreichen, dass ich Ihnen meine politische Motivation erläutere?«
    »Nein, nicht Ihre politische, sondern Ihre menschliche. Sehen Sie mich an. Ich komme aus einem reichen Elternhaus. Ich bin lange Jahre im Ausland aufgewachsen und habe andere Länder und Kulturen kennen gelernt. Und ich habe ihnen nachgetrauert, wenn ich sie verlassen musste. Die Welt war für mich immer größer und spannender als Frankreich allein. Für mich war seit damals ein vereintes Europa eine fast heilige Vision. Die Grenzen zwischen Ländern und Kulturen verschwimmen zu lassen, zusammenzuarbeiten, voneinander zu lernen. Meine politische Arbeit beruht so zum Teil auf einigen ganz persönlichen Träumen und Wünschen. Auch wenn ein wirklich vereintes Europa in meiner Amtszeit nicht zu realisieren ist, weisen aber all die kleinen Dinge meiner Politik einen Weg in die Richtung meiner Interessen. Und in diesem Licht wird vielleicht vieles verständlich. Selbst wenn man meiner politischen Arbeit nicht zustimmt, kann man mich trotzdem als Mensch respektieren, der ein nachvollziehbares Ziel vor Augen hat und diesem auch konsequent und mehr oder minder erfolgreich nachgeht.«
    Jean-Baptiste Laroche sagte nichts.
    »Ihre Partei«, fuhr Michaut fort, »die PNF, sieht in dem Gedanken des vereinten Europa eine Bedrohung. Sie sind keineswegs rückschrittlich, aber Sie scheinen rückwärts gewandt. Wie kommt das?«
    » Rückwärts gewandt ist gut ausgedrückt...« Laroche sah einen Augenblick zur Decke. »Es interessiert Sie also, was es ist, das mich antreibt...« Er stand plötzlich auf und stützte sich mit den Händen auf den Schreibtisch des Präsidenten. »Gut. Dann will ich Ihnen von meinem Frankreich erzählen. Und lassen Sie mich dabei rückwärts gewandt sein.« Er begann, im Büro umherzulaufen. »Sie, mein lieber Monsieur Michaut, möchten Europa verbünden, möchten von der Macht Europas profitieren, sich den Weltmächten und den Weltmärkten entgegenstellen können. ›Einigkeit macht stark‹ ist Ihr Motto. Aber Sie verkennen dabei, dass Sie den Nerv der Zeit mit Füßen treten. Weshalb gibt es denn immer wieder Spannungen im Balkan, in der ehemaligen Sowjetunion oder im Nahen Osten? Nicht, weil die Menschen Einigung wünschen, sondern im Gegenteil, weil sie Angst davor haben, ihre nationale Identität zu verlieren.«
    Präsident Michaut lehnte sich zurück, faltete die Hände und legte sein Kinn darauf. Er schien andächtig zu lauschen, während Laroche durch den Raum schritt und gestikulierte.
    »Schauen Sie sich unser Frankreich an: Arbeitslosigkeit, Ausländerprobleme, wir verpassen den technischen Anschluss. Auf dem Weltmarkt haben wir kaum mehr eine Bedeutung, und wenn wir gerade mal ›gegen‹ etwas sind, ignoriert man uns, politisch findet selbst die Schweiz mehr Beachtung.«
    Der Präsident holte Luft und wollte etwas erwidern, doch Laroche hob die Hand. »Ich weiß, es ist überspitzt. Aber nun wenden Sie den Blick weiter zurück: Was haben die Nazis mit uns gemacht? Überrollt haben sie uns. Gut, dass es Amerikaner gab, die uns in der Normandie helfen konnten, nicht wahr? Und es war doch vorher auch nicht anders! Denken Sie an den Ersten Weltkrieg, oder den Hundertjährigen Krieg! Zehntausend Tote allein bei einer einzigen Schlacht bei Azincourt – und das bei einem Kampf ohne Massenvernichtungswaffen. Die Engländer haben damals die Blüte Frankreichs mächtig aufgerieben. Eine ganze Generation Adliger und Ritter wurde an einem

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