Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
ließ Jet los. Sie stand einfach nur da. Die Sorgenfalte auf ihrer Stirn glättete sich langsam und verschwand.
»Jet, komm her.«
Jet ging gemessenen Schrittes zu Iridium und stellte sich neben sie.
An Iridiums Füßen glitt etwas vorüber. So kühl und glatt wie der Stoff, aus dem die Nacht gewebt war.
Celestina riss Iridium und Jet zurück und schob sie hinter einen Müllcontainer. »Ich habe sie!«
Night schoss nach vorn. Seine Creeper umhüllten die beiden Männer mit Schwärze. Als sich der Geistnebel, den Celestina versprüht hatte, lichtete, konnte Iridium die beiden schreien hören. Sie drehte den Kopf weg, um nicht sehen zu müssen, was geschah. Doch Jet starrte wie gebannt auf Night. Was er tat, fesselte sie mehr als jeder Psychotrick, den Celestina anwenden mochte.
»Zurück zum Transporter«, flüsterte Celestina leise in Iridiums Ohr. »Wir evakuieren euch. Du kümmerst dich um Jet, Iridium.
Sorge dafür, dass sie heil zur Plattform kommt. Hast du verstanden?«
»Ja«, antwortete Iridium. Ihre Stimme hatte den Klang von dünnem Papier und hörte sich sehr, sehr jung an. »Ja, Ma’am«, wiederholte sie. Ein lautes Bellen diesmal, um den Eindruck zu verwischen.
»Komm, Jet.«
Jet rührte sich nicht von der Stelle.
Iridium drehte sich um. Sie wollte sehen, was ihre Aufmerksamkeit dermaßen fesselte. Night näherte sich den beiden Männern. Eine Schicht um die andere, hüllte er sie in Schatten ein. Und dann schnauzte er sie wütend an: »Es macht euch also Spaß, kleinen Mädchen Angst einzujagen?«
Iridium erschauerte. Dann riss sie ihren Blick los. »JET!«
Jet blinzelte und wandte sich Iridium zu. »Was …?«
»Wir müssen los. Schnell. Komm schon. Lauf zum Transporter, so schnell du kannst, und achte auf nichts anderes!« Sie packte Jets Hand. »Ich bin bei dir.«
Das schien zu wirken, denn endlich setzte Jet sich in Bewegung. Sie rannten zurück zum Transporter. Nachdem sie sicher an Bord gelangt waren und der Pilot, ein Runner, den Kurs für den Rückflug zur Akademie eingegeben hatte, stieß Iridium einen erleichterten Seufzer aus.
»Ich habe dir doch gesagt, dass es keine gute Idee war«, meinte sie.
Jet drückte sich die Nase am Fenster platt und schaute zusammen mit den anderen Schülern nach unten, zu den winzigen Lichtpünktchen von Little Shinjuku. »Was passiert jetzt mit Night und Celestina?«
Iridium schloss die Augen, als sich der Hover in den luftigen Verkehrsstrom einreihte.
»Ich glaube, die beiden können ganz gut auf sich selbst aufpassen.«
KAPITEL 32
JET
Wir haben es abgelehnt, in dieser Angelegenheit die Everyman Society als Ganzes strafrechtlich zu verfolgen.
Offizielle Erklärung des Bezirksstaatsanwalts von New Chicago
FÜNF TAGE SPÄTER
»Also, in diesem Fall würde ich sagen, ich weiß es auch nicht. Frag doch deine Mutter!«
Wie üblich schütteten sie sich aus vor Lachen über die Pointe. Und wie immer fiel auch Samson ein. Sogar Frostbite und Red Lotus glucksten. Iri wechselte einen Blick mit Jet. Er sagte ganz deutlich und lauter, als Worte es je vermocht hätten: »Jungs sind so dermaßen doof.« Jet stimmte ihr in Gedanken zu.
Aber abgesehen davon waren sie auch wirklich schnuckelig. Zumindest Samson. Und er konnte verdammt gut küssen. Sie versuchte, nicht rot zu werden, und widmete sich wieder ihrem Salat.
Iri langte über den Tisch nach dem Ketchup. »Und mit diesem Maul hast du also deine Mutter geküsst, Wolf?«
»Ja, und dann hab ich sie aufgefressen, Schnuckelchen.« Er heulte ein Lachen und klatschte die Hand von Red Lotus ab, der vor Gelächter beinahe sein Mittagessen verschüttet hätte. Samson und Frostbite kicherten. Sam sah allerdings aus, als versuche er, sich das Lachen mit Gewalt zu verkneifen (was auf ganzer Linie scheiterte).
Iri stieß Wolf den Ellenbogen in die Rippen. »Igitt!«
Jet hatte den Witz nicht verstanden. Aber sie wollte auf keinen Fall die Aufmerksamkeit der anderen auf diese Tatsache lenken. Also nahm sie Iris Stichwort auf und sah Samson missbilligend an, bis das Gesicht des großen Teenagers noch röter wurde als sein Anzug. Samson grinste verlegen und sagte: »Komm schon, Jet. War doch nur ein Scherz.«
Sie schniefte. »Für euch Kerle vielleicht.« Daraufhin blies Sam ihr einen Kuss zu. Jet musste kichern, und ihre gespielte Distanziertheit war komplett dahin.
Ein anerkennender Pfiff von Wolf dämpfte Jets Lachen. Sie sah hinüber zu dem drahtigen Teenager. Der lehnte lässig in seinem Stuhl
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