Projekt Omega
Stimme, während er seine beidhändig gepackte Waffe mit ausgestreckten Armen in Anschlag brachte. »Eine falsche Bewegung, und Sie sind tot.«
Vernons Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich fürchte, das wird jetzt etwas unangenehm für Ihre Freundin.« Er hielt die Spitze der Tätowiernadel Millimeter über Deckers rechtem Auge, bereit, ihr den Edelstahl durch den Augapfel ins Hirn zu rammen. »Wie ich Ihnen gerne demonstrieren werde, muss man nicht immer jemanden erschießen oder erdolchen. Der Tod kann einen auf vielerlei Weise ereilen.«
Cotton hielt den Lauf weiter auf Vernon gerichtet. »Sobald auch nur einer Ihrer Finger zuckt, schieße ich.«
»Sieht aus, als hätten wir es mit einem klassischen Patt zu tun«, seufzte Vernon, als würde ihm der Verlauf der Ereignisse aufrichtig leidtun. »Offenbar komme ich hier nur lebend raus, wenn ich mich Ihnen ergebe. Andererseits töte ich Ihre Kollegin, wenn Sie mich nicht gehen lassen.«
»In unserer Situation müssen wir wohl beide unsere Erwartungen zurückschrauben. So oder so, es wird kein gutes Ende für Sie geben.«
»Es sei denn, Sie legen Ihre Waffe zu Boden, schieben sie mit dem Fuß in meine Richtung und drehen mir den Rücken zu. Ansonsten sehe ich mich leider gezwungen, der Kleinen die Nadel ins Auge zu rammen.«
Decker erstarrte. Sie wusste, Vernon würde Cotton mit dessen eigener Schusswaffe töten, sobald er sie in der Hand hielt.
Die Zeit schien stillzustehen. Vernon stand halb hinter dem Stuhl und nutzte Decker als menschlichen Schutzschild.
»Sie sollten Ihren Entschluss noch einmal überdenken«, sagte Cotton. »Sie haben mehr zu verlieren, wenn Sie nicht aufgeben, als wenn Sie aufgeben.«
»Warum schießen Sie nicht einfach?«, höhnte Vernon. »Haben Sie Angst, dass ich Ihrer schönen Bekannten trotzdem noch die Nadel ins Gehirn stechen könnte? Die Angst ist berechtigt, denn genauso wird es kommen. Sie verwunden mich, und ich töte die Lady.«
Cotton wusste, wenn er seinen Gegner nicht mit dem ersten Schuss voll erwischte, wäre das Deckers Todesurteil. Er behielt Vernon weiter im Visier. Ihn überkam eine beinahe unnatürliche Ruhe, obwohl Deckers Leben – wie auch sein eigenes - davon abhing, welche Entscheidung er in den nächsten Sekunden treffen würde.
Die Sehnen von Vernons Hand, mit der er Nadel hielt, traten hervor. Der Psychopath würde seine Drohung jeden Augenblick wahr machen.
»Ich zähle bis drei«, sagte er. »Habe ich dann Ihre Waffe nicht, töte ich die Frau. Eins …«
»Drei.« Cotton drückte ab.
13
Cottons Kimber dröhnte. Eine grellweiße Flamme zuckte aus der Mündung. Vernons Kopf wurde wie durch einen Faustschlag nach hinten gerissen. Die Tätowiernadel entglitt seiner Hand und fiel klappernd auf den Boden. Sein schlaffer Körper schlug daneben auf. Aus dem Einschussloch in seiner Stirn sickerte Blut.
Halb taub durch den Pistolenknall eilte Cotton zu seiner Partnerin. Mit raschen Bewegungen befreite er sie vom Knebel und den Fesseln. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Nein«, stieß Decker schwer atmend hervor. »Nichts ist in Ordnung. Dieser sadistische Psychopath hat versucht … er wollte …« Für einen Moment versagte ihr die Stimme. »In was für eine Scheiße haben Sie mich reingezogen, Cotton?«
»Es ist vorbei«, versicherte er. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass Vernon tot war, durchwühlte er dessen Jacke. Er drehte die Leiche auf die Seite und zog sein Smartphone, das Vernon dem niedergeschossenen Styles abgenommen hatte, aus einer Jackentasche. Dann rief er John D. High an und bat um Verstärkung.
Decker realisierte erst jetzt, dass sie tatsächlich gerettet war. Trotzdem fühlte sie sich noch zu zittrig, als dass ihre Beine sie tragen könnten.
»Alles wieder okay?«, fragte Cotton besorgt, nachdem er das Smartphone eingesteckt hatte.
»Ich denke schon«, murmelte Decker benommen.
Sie stand unter Schock. Regungslos saß sie da. Vor ihrem inneren Auge erschien immer wieder das grauenvolle Bild ihres entstellten Körpers, falls Vernon seine Drohung wahr gemacht hätte.
»Sehen wir zu, dass wir von hier wegkommen.« Cotton zog sie sanft aus dem Stuhl, nahm sie auf die Arme und trug sie nach draußen. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Werden Sie mir jetzt bloß nicht ohnmächtig«, befahl Cotton streng und fügte scherzhaft hinzu: »Sonst muss ich Sie ohrfeigen, damit Sie wieder zur Besinnung kommen. Ich weiß, von so einer Gelegenheit träumt die halbe Belegschaft, aber
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