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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Baumzweige bei den Fenstern hineinsahen. Die Lichter, welche man in übermäßiger Menge in dem Saale anzündete, spielten in die schiefen, durch Baumstämme, Gebäudesäulen und Glastafeln hereinfallenden Strahlen der bereits tiefstehenden und erlöschenden Sonne. Diener, die vom Putze strotzten, liefen an den Tafeln hin und her und wurden bald von einem fliegenden Sonnenblitze, der von außen hereinkam, begossen, bald von den Lichtern, die im Innern in noch schwacher Gewalt brannten, sanft bestrahlt.
    Als die Schloßglocke gellte, fügten sich die Gäste paarweise zusammen, wie man es schon angeordnet hatte, und gingen von dem Schlosse in den Speisesaal hinüber.
    Es liegt außer unserem Zwecke, das Mahl, das diesen beschwerlichen Tag beschloß, näher zu beschreiben. Nur soviel genüge, daß es sehr glänzend war; denn die Sitte der damaligen Zeit verlangte, daß man seinen Gästen die Ehre, die man ihnen erweisen wollte, durch großen Aufwand kundtat, namentlich, daß nichts fehlte, was nach den herrschenden Begriffen ein Bestandstück der Tafel war. Eine sanfte Musik tönte von verschiedenen Stellen des Berges herüber, als die reichgekleideten Menschen in der immer heller brennenden Kerzenmenge, wie draußen der Tag sich allmählich verdunkelte, dasaßen, als die Menge der glänzenden Gefäße auf dem Tische stand, als die Messer und Gabeln klirrten und als die Gespräche rauschten. Es saßen nach dem Gebrauche auch die vorzüglicheren Haus- und Amtsleute des Grafen zur Tafel, und auf ihren Standeskleidern schimmerte die Last der Seidenverzierungen und der Goldstickereien.
    Als das kostbare Mahl geendet war und man sich mit Ausnahme einiger, die noch beim Weine geblieben waren, wieder in das Schloß hinüber begeben hatte, zog die Mutter Gertrauds den jungen Gatten in ein Nebengemach, wo zufällig auch der Vater, Bruder und einige Verwandte standen, nahm ihn bei beiden Händen und sagte: »Ich habe Euch alles, was ich besitze, übergeben, teurer Eidam, Ihr wisset, daß ich keine Tochter mehr habe und daß Söhne sich um Mütter wenig zu bekümmern pflegen - behandelt sie gütig und freundlich, behandelt sie ja recht gut; denn sie ist es von Jugend auf gewohnt.«
    Der junge Graf legte seine rechte Hand, die er sanft von der Schwiegermutter losgemacht hatte, auf die Brust und sagte: »An diesem Herzen will ich sie halten wie mein liebstes Wesen, auf diesen Händen will ich sie tragen wie mein Kleinod; denn es ist unter allen Geschöpfen, die da Raum haben in der Wesenheit der Dinge, kein einziges, das ich so liebe wie sie.«
    »Amen«, sagte der alte Graf von der Staue, »es ist schon recht und gut.«
    Man gab sich die Hände, schüttelte sich dieselben und verfügte sich wieder zu den andern.
    Gertraud war von ihren Frauen schon in ihre Gemächer geleitet worden. Da Prokopus ebenfalls von der Gesellschaft Abschied nahm, um sich in seine Wohnung zu begeben, trat ein großer, finsterer Mann, Flerenz von den Tennen, der bisherige Vormund und Gerhab, herzu und sagte: »Ich wünsche dir Glück, Graf Prokopus, ich wünsche dir Glück.«
    »Ich danke Euch, ich danke«, erwiderte dieser.
    Auf dem Gange sagte Bernhard von Kluen zu ihm: »Sei recht glücklich, Prokop, sei für alle Tage deines künftigen Lebens zufrieden und heiter.«
    »Lebe wohl, guter, treuer Lehrer und Vater«, antwortete Prokopus, »gute Nacht, gute Nacht.«
    Und sie schieden unter dem Lichte der herabstrahlenden Lampe, indem der eine in seine Schlafgemächer ging und der andere sich zu den wenigen Gästen zurückverfügte, die noch in dem großen Saale waren.
    Prokopus war durch die hohen Türen, die in seine Wohnung führten, hineingegangen, und es war nach dem geräuschvollen Tage, in welchem den Menschen ihr Tun wie eine Rolle im Schauspiele war vorgeschrieben worden, eine Last von ihm genommen, da er allein war. Die Lampe in dem großen Vorgemache hatte, da er eintrat, ihr sanftes, wohnliches Licht auf ihn herabgegossen, die Schritte, welche auf dem Gange gehallt hatten, waren auf den Teppichen seiner Zimmer nicht zu hören. - Der Kammerdiener stand mit dem Nachtgewande vor ihm, als er in dem inneren Gemache stehenblieb und sich an der Ecke eines kalten Marmortisches hielt. Die mehreren einfachen Lampen, wodurch seine Zimmer erhellt wurden, streuten ihr mildes Licht auf die Gegenstände, unter denen er so lange gelebt hatte. Er legte den schönen, federbebuschten Hut auf ein Ruhebett, das die weichen, mit feinem Leder überzogenen Kissen ihm

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