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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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dastand und nur ganz schwach in dem dunkeln Himmel gesehen werden konnte - als der Pfad im Grase des Rasens kaum mehr als grauer Streifen erkennbar war: ging er mit seinen Hunden an dem Rauschen des Flusses zurück. Er ging zu dem Hause, tat die Hunde in einen Zwinger, in dem sie in der Nacht herumgehen konnten, sperrte mit einem Schlüssel die kleinere Haustür auf und verschwand hinter ihr, sie wieder verschließend. Er wurde weiter nicht mehr vernommen. Desungeachtet war noch nicht die vollständige Ruhe in der grünen Fichtau. Da es schon ganz finster geworden war, bewegte sich ein schwarzer Knäul über die Gasse gegen die Hintergebäude zurück. Es war der arme Christian, der seinen Heuverschlag suchte, in welchem er zu schlafen pflegte. Man weiß nicht, was er etwa noch so spät vor dem Hause oder in dem Gebüsche zu tun gehabt hatte - er weiß es selber oft nicht -, und von den andern bekümmerte sich auch keiner um ihn, was er tat oder wann er sich zur Ruhe begab.
    Von nun an, da die seltsame Gestalt unter der Schwärze des Oberdaches verschwunden war, herrschte ununterbrochene Stille. Alle lagen sie in todesähnlichem Schlummer befangen, und die kalte Sternenglocke stand brennend und einfach über dem ganzen Walde, der dunkel und ohne Regung unter ihr ruhte und in dessen Größe das Haus, in dem wir den ganzen Tag zugebracht hatten, nicht zu sehen und zu erkennen war oder so winzig und klein, als hätte man kaum mit der Spitze einer Nadel in das Waldland getupft. -
    Nun müssen wir von der stillen Fichtau, in der wir uns vielleicht aus unentschuldigbarer Vorliebe für so unbedeutendes Wirken und Tun zu lange aufgehalten haben, Abschied nehmen und dem Zuge, der am Morgen in ihr das glänzende Frühmal eingenommen hatte, folgen, um zu berichten, was ihm im Laufe dieses Tages begegnet ist und wie denn die nämliche Nacht, die jetzt über der Fichtau steht, auch über die Häupter jener fröhlichen Menschen heraufzog.
    Sie ritten in heiterer Lust, da noch die helle Sonne auf sie schien, ihres Weges dahin, und die Perniz ging rauschend und plaudernd mit ihnen. Beide, der Weg und der Fluß, strebten aus dem engen Tale hinaus gegen die ebneren Länder, wo der Weg in eine breite Straße auseinandergeht, auf der der Zug aus seinem dünnen Faden sich zu einer sprechenden und scherzenden Gruppe hätte aufrollen können, und wo der Fluß, ohne mit seinen Wellen über Steine zu springen, in einer glänzenden Schlange auf weiten Wiesen dahin liegt. Der erste Gruß, den das erweiterte Land dem Wanderer entgegenträgt, ist der freundliche, spitze Kirchturm von Prigliz, und dann folgen Meierhöfe und verschiedene Werke.
    Allein, ehe man noch dahin gelangte, schwenkte die ganze Gesellschaft von dem Wege ab, trabte über ein Brücklein der Perniz und verließ dieses lustige, hüpfende Wasser. Sie ritten in ein Seitental hinein, das so spitz abfällt, als wollten sie wieder in die Berge der verlassenen Fichtau zurückkehren.
    So war es auch beinahe. Sie ritten bei immer höher steigender Sonne, bei mutwilligem Hundegebell, bei manch schwierigem Gespräche und bei manchem Wirrsale und Streite der Diener, die sich hinten drängten, in dem Seitentale dahin, gleichsam um ein vielgestaltig emporragendes Hügelland eine Kreislinie spannend. Die roten Steine der Fichtau blickten überall nieder, und die Wasser schossen herab. Einmal, da die Höhen auseinanderrissen, zeigte Prokopus seiner Gemahlin den Berg, wohin er sie führte, wie er, im Dufte des wolkenlosen Vormittags schwimmend, gleichsam weit hinter allen Höhen draußen zu schweben schien.
    Sie ritten weiter und weiter.
    Als die Sonne schon ziemlich bedeutend jenseits ihres Gipfelpunktes am Himmel hinabrollte, als die Blitze des Morgens schon längst von den Berghöhen verschwunden waren und als diese bereits in einem müden trockenen Nachmittagshauche standen: erreichte man den Fuß des Berges. Hier ist ein Dörflein, und außer den einzelnen Menschen, die schon in dem Seitentale gestanden waren und die Gesellschaft angeschaut hatten, waren hier zuerst mehrere derselben versammelt.
    Sie standen aus Neugierde da oder riefen Glückwünsche zu. Von dem Schlosse waren Pferde herabgebracht worden, die warteten. Man bestieg sie, während die Diener die alten in Empfang nahmen und herumführten. Mit diesen frischen Kräften zog man die Höhe des Weges hinauf. Aus den Obstbäumen des Dörfleins bog man anfangs durch ansteigende Felder hinauf und kam dann auf die Einsamkeit des
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