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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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Berges. Eine vielfach unterbrochene Rasendecke streckte sich hinan, Steine schauten überall aus ihr heraus. Zwischen diesem hindurch ging der Weg, er war breit, und zu seinen beiden Seiten stand eine Doppelreihe uralter Fichten, welche mit den traurigen, tief niedergehenden Zweigen und mit den langen hängenden Moosbärten eine Gattung düsterer, einödeartiger Allee bildeten. Zwischen den runzligen, harzigen Stämmen stand hie und da ein Mensch, sein Angesicht hervorzeigend und die Vorüberreitenden betrachtend. Weiter gegen oben sah man mehrere den Reitern schleunigst vorauseilen, um bei dem Einzuge gegenwärtig sein zu können.
    Den Grafen Prokopus an der Spitze und zu seiner Rechten die junge schöne Gemahlin kam man an dem Tore des Rothensteines an. Zu beiden Seiten von unendlichem Haselgebüsche bewachsen, zeigte die Ringmauer des Berges nur eine einzige offene Stelle, in der der steinerne Torbogen war. Sein düsteres Eisengrau war außer dem Wappen schier nirgends zu sehen, weil er von einer Last von Blumengewinden bedeckt war, die nur an einer Stelle durch ihre Schwere niedergebrochen hingen, den Stein zeigend und gleichsam gebrochenes Glück bedeutend. Die Torflügel waren in weiter Gastlichkeit geöffnet. Auf einem Gerüste hinter dem Blumenberge versteckt, war eine schmetternde Fanfare, die den Zug begrüßte und im Augenblicke von dem Donner des Geschützes abgelöst wurde, das auf dem Berge aufgepflanzt war und erdröhnte, als der Zug durch die Torflügel einritt. Eine fast wogende Menschenmenge war hier versammelt: sie riefen teils Lebehoch, teils winkten sie mit Tüchern und Hüten. Es war schier ein sturmähnliches Brausen, wie wenn sie eher Unheil als Glück verkündeten. Innerhalb des Tores, auf dem weiten, sandigen Platze, wo ein Obeliskus steht und zwei Sphinxe ruhen, waren jene Leute des Grafen aufgestellt, die in den verschiedenen Besitzungen desselben etwas galten: Richter, Schreiber, Schöffen, Verwalter, Geschworne und dergleichen. Sie standen mit sehr ernsten Gesichtern. Aber wie ein holder, versöhnender Gegensatz löste sie eine Schar weißer Mädchen ab, welche Kränze auf Kissen trugen und feine Papiere darreichten, auf denen Sprüche und Wünsche standen. Der junge schöne Graf hörte freundlich an, was der Mann, der an der Spitze der Mädchen stand, sagte - auch sonst war er zuvorkommend und höflich, er hielt den Hut ober dem Haupte gelüftet immer in der Hand und grüßte nach dieser Seite und nach jener. Auch die neue Gebieterin neben ihm, an der eigentlich alle Blicke hingen, hatte mit Neigen und Grüßen und herablassendem Winken vollauf zu tun.
    Man ritt von dem Platze des Obeliskus auf dem sanftgewundenen Pfade über den ferneren Teil des Berges gegen die Schloßgebäude hinan. Eine nachdrückende Menschenmenge beschloß den Zug - ja auch seitwärts, wo sich liebliche Weinreben um das Rot der Marmorgesteine schlangen, suchten sich viele durchzufristen und zertraten manch zartes und nützliches Reis.
    Nach einer Weile Reitens trat den Ankommenden ein schöner großer Bau entgegen. Er schwamm im zarten Lichte des späten Nachmittages und war rückwärts gehoben von einem schönen Eichenwalde, der sein Glanzgrün dem Auge entgegenhielt und auf dessen Rasen, der tiefgrün durch die Stämme vorblickte, Damhirsche gingen, die trotz der Menschenmenge, oder vielleicht gerade durch sie gelockt, neugierig an den Rand kamen und herausschauten. Der Bau hieß der Altbau und war das Ziel der Reise. Er bekam in folgender Zeit aus Ursachen, die wir später anführen werden, den Namen Julianbau. Man hatte im Heraufreiten zwar verschiedene Bauten und Häuschen in dem Weingelände zerstreut gesehen - sie waren auch zuzeiten bewohnt gewesen -, aber der Graf hatte zu seiner Wohnung den weitläufigen Altbau erwählt, wie auch seine Vorfahren aus den Bauwerken des Berges sich immer dasjenige zum Aufenthalte bestimmt hatten, das ihnen am meisten gefiel. Da man zwischen die Vorgebäude auf den Sandplatz hinvor gekommen war, standen alle Diener des Hauses da. An ihrer Spitze war der Schloßmeister mit dem roten Stabe und neben ihm der Kastellan mit seinem Abzeichen, dem großen Schlüssel. Da sie sich nach der Anweisung des Schloßmeisters verneigt hatten und da der Gruß von den Ankommenden erwidert worden war, eilten die hiezu Aufgestellten herbei, der Gesellschaft von den Pferden zu helfen. Als man abgestiegen war, wies der Schloßmeister mit seinem Stabe auf die große Treppe und ging voran.
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