Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
Demokratie denkbar sein könnten, die deren evidente Vorteile bewahren und deren sichtbare Nachteile auszuschalten imstande sind. Diese Frage zu stellen, ist das politikwissenschaftliche Pendant zu schlechtem Mundgeruch.
Es ist ein zwar verständliches, aber törichtes Tabu. Verständlich ist es, weil die Demokratie gerade in Deutschland und Österreich ja alles andere als tief verwurzelt und das demokratische Selbstverständnis daher noch dementsprechend sensibel ist. Von den westlichen Alliierten erst nach 1945 wirklich erfolgreich implementiert, hat die Demokratie im deutschen Sprachraum innerhalb der wenigen seither vergangenen Jahrzehnte nicht in der Art und Weise selbstverständlich werden können, wie sie es in der Schweiz, den USA oder Großbritannien nach Jahrhunderten des Übens ist. Diese Staaten pflegen übrigens einen viel differenzierteren Umgang mit dieser Staatform.
Wer gerade erst zum Christentum konvertiert ist, tut sich erfahrungsgemäß ja auch etwas schwerer, blasphemische Witze lustig zu finden, als ein in Ehren ergrauter Kardinal in Rom.
So verständlich dieses Tabu ist, so töricht ist es. Denn dank dieser Tabuisierung befindet sich Demokratie unter einer Art hermetischer Käseglocke, die die dringend notwendige gedankliche Frischluft weitgehend verhindert. Wer die Demokratie mit Hilfe dieses Tabus versteinert, nimmt ihr die Möglichkeit, sich anzupassen und damit ihre Überlebensfähigkeit zu verbessern.
Deshalb wäre ein wichtiger erster Schritt zur Optimierung dieser Form der Herrschaftsausübung, jenes Tabu zu kippen. Über Demokratie muss genauso ergebnisoffen verhandelt werden wie über den Kapitalismus oder die ewige Frage nach der Existenz Gottes.
Natürlich ist es auch heute nicht verboten, die Demokratie in Frage zu stellen. Es empfiehlt sich bloß nicht wirklich, weil jeder, der dies versucht, damit zu rechnen hat, von der veröffentlichten Meinung in die Spinnerecke gedrängt zu werden, also an einen Punkt des anerkannten Debattenbogens, an dem nur ein paar Verrückte, intellektuelle Hooligans und ideologische Exoten rumlungern.
Räumt man dieses Tabu zur Seite, warten ein paar nahe liegende Alternativen zur Demokratie, die alle eines gemeinsam haben: Sie wurden ausreichend erprobt und haben ihre Untauglichkeit mehr oder weniger hinlänglich bewiesen.
Monarchie? Ein Blick auf die heutige Generation potenzieller europäischer Krönchenträger lässt einen selbst den durchschnittlichsten Repräsentanten des demokratischen Systems als glanzvolle Lichtfigur erscheinen.
Diktatur? Gerade hierzulande weiß man, dass dies ohne jeden Restzweifel von allen schlechten Alternativen zur Demokratie die allerschlechteste ist.
Anarchie? Hat gewisse charmante Aspekte, vor allem als libertäre Anarchie. Für sie jedoch sind die deutschsprachigen Menschen einfach zu ordnungsliebend. Geht deshalb auch nicht.
Was also tun?
Dass bestimmte Fehlfunktionen der Demokratie gerade heute so unangenehm auffallen, hängt nicht nur mit der Demokratie, sondern auch mit der Größe des von ihr kontrollierten Rechtsraumes zusammen. Je mehr Einfluss der Staat hat, umso schwerere Schäden können seine Fehler anrichten. Je minimalistischer hingegen ein Staat angelegt ist, je mehr Entscheidungen und Geld er dem einzelnen Bürger überlässt, desto weniger wichtig ist seine Organisationsform.
In Deutschland oder Österreich ist eben diese so besonders wichtig, weil der Staat einen besonders hohen Teil der Wirtschaftsleistung jedes Einzelnen an sich rafft (»Staatsquote«) und besonders ungeniert und heftig in das Leben seiner Bürger eingreift, um diese vor sich selbst zu beschützen. Wo sich der Staat als eine Art Besserungsanstalt für seine unmündigen Bürger versteht, ist natürlich besonders wichtig, wie und von wem die Anstaltsleitung ernannt wird.
Als einfachste und dringlichste Demokratiereform muss daher eine radikale Entschlackungskur des Staates stattfinden. Seine Kompetenzen und seine (Steuer-) Einnahmen müssen minimiert werden. In dem Ausmaß, in dem sich der Staat aus vielen Gebieten zurückzieht, die er heute noch okkupiert hält, werden die Folgen allfälligen Demokratieversagens weit weniger zu spüren sein, als das heute der Fall ist.
Wenn also die Demokratie, wie das heute etwa in Österreich und teilweise in Deutschland der Fall ist, etwa ein eher suboptimal funktionierendes Schulwesen zu verantworten hat, so wird das gravierende Folgen auf die Standortqualität der nächsten
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